
Perspektiven: Taktik für wechselhafte Zeiten
Trumps Zollankündigungen am „Liberation Day“ haben die Finanzmärkte durchgeschüttelt. Anschließend wurden einige Maßnahmen relativiert oder für 90 Tage ausgesetzt. Dennoch bleibt die US-Zollpolitik von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Anleger sollten in ihrer Anlagestrategie eine hohe Flexibilität bewahren.
Am 2. April kündigte Trump unerwartet hohe Einfuhrzölle an. In der Folge brachen die Aktienmärkte ein und die Anleiherenditen stiegen. Daraufhin setzte Trump die höchsten Zölle für die meisten Länder aus und bot eine 90-tägige Verhandlungsfrist an. Derzeit gelten für die meisten Länder Zölle in Höhe von 10 Prozent, doch nach Ablauf der 90-tägigen Pause könnten ab Juli wieder höhere Zölle drohen.
Die Folgen der Unsicherheit
Es bleibt ungewiss, wie viele Länder neue Handelsabkommen mit den USA schließen und die höheren Zölle abwenden können. Je länger diese Unsicherheit anhält, desto größer ist der Schaden für die Wirtschaft: Verbraucher geben weniger aus, Unternehmen verschieben Investitionen und der Welthandel stagniert. Zudem wirken sich die bereits geltenden Einfuhrzölle negativ auf die Wirtschaftsaktivitäten aus.
Das im Mai geschlossene Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien ist ein erstes positives Zeichen und könnte als Vorlage für ein Abkommen zwischen den USA und der EU dienen. Allerdings akzeptiert Großbritannien darin einen Zollsatz von 10 Prozent – und damit höhere Handelsbarrieren als noch vor einigen Monaten. Ähnliches gilt für China: Im Mai kündigten die USA eine vorübergehende Senkung der Zölle auf chinesische Importe an. Dennoch liegen sie deutlich höher als zu Jahresbeginn und dürften insbesondere die US-Wirtschaft weiterhin belasten.
Die USA scheitern an ihrer eigenen Politik
Eine Rezession in den USA bleibt unwahrscheinlich. Allerdings haben wir unsere Wachstumsprognosen für die USA sowohl für dieses als auch für das kommende Jahr im Vergleich zum Jahresbeginn gesenkt. Eine konkrete Folge der Importzölle sind steigende Preise: US-Unternehmen, die Waren importieren, werden die höheren Zollkosten ganz oder teilweise an ihre Kunden weitergeben. Die Folge ist eine höhere Inflation. Das sind schlechte Nachrichten für die amerikanischen Verbraucher und stellt die Federal Reserve vor ein Dilemma.
Aber nicht nur das Wachstum der US-Wirtschaft leidet unter Trumps Politik. Auch der Ruf der USA als zuverlässiger Handelspartner und Verbündeter ist angeschlagen. Mehr über die Rolle der USA als „sicherer Hafen“ für Investoren erfahren Sie im Artikel „Risiken“.
Kurzzeitig langsameres Wachstum in Europa
In Europa wird der wirtschaftliche Gegenwind durch die Importzölle ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte zu spüren sein. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die Eurozone eine Rezession vermeiden wird. Das Wachstum dürfte jedoch auch in den kommenden Quartalen unter dem Trendniveau liegen. Für 2026 erwarten wir eine Beschleunigung des Wachstums, unter anderem aufgrund deutlich höherer Staatsausgaben, beispielsweise Infrastrukturinvestitionen in Deutschland. Höhere Verteidigungsausgaben dürften das Wachstum in Europa ebenfalls ankurbeln.
Unter der Annahme, dass die US-Zölle weitgehend unverändert bleiben, rechnen wir damit, dass sich das zugrunde liegende Wachstum der Weltwirtschaft kurzfristig verlangsamen wird, bevor es Ende 2025 und bis ins Jahr 2026 hinein wieder anzieht.
Mehr über Investitionen und die Rolle der Technologie im Verteidigungsbereich erfahren Sie im Artikel „Impulse“.
Was werden die Zentralbanken tun?
Obwohl Trump gerne niedrigere Zinsen sehen würde, wird die Fed ihre Leitzinsen in nächster Zeit wahrscheinlich nicht senken – vor allem wegen seiner eigenen Politik, da die Importzölle die Inflation anheben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mehr Spielraum für Zinssenkungen, da die Inflationserwartungen in der Eurozone niedrig sind. Wir gehen daher davon aus, dass die EZB ihre Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen wird. Dies wird dem Wirtschaftswachstum in Europa zugutekommen.
Unsicherheit erfordert Flexibilität von Investoren
Wir haben turbulente Monate hinter uns. Und wir gehen davon aus, dass die Unsicherheit auch in der zweiten Jahreshälfte anhalten wird. Für Investoren ist es daher wichtig, flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. In den Wochen nach dem Liberation Day haben wir Anleihen verkauft und damit Liquidität geschaffen. Insgesamt bleiben wir bei Anleihen jedoch leicht übergewichtet. Da die EZB ihre Zinssenkungen in den kommenden Monaten fortsetzen dürfte, halten wir europäische Staatsanleihen weiterhin für eine attraktive Anlage.
Vor kurzem haben wir unsere Aktiengewichtung auf neutral reduziert, da die Rezessionsängste an den Märkten zunehmen könnten, sobald die negativen Auswirkungen der Zölle spürbar werden. Wir erwarten, dass die wichtigsten Aktienindizes bis Ende 2025 weitgehend innerhalb einer Bandbreite verharren. Sollten neue Konjunktursorgen aufkommen, könnte das Szenario negativer ausfallen. Würde die Trump-Regierung ihre Zollpolitik durch Vereinbarungen mit wichtigen Handelspartnern umkehren, würde sich das Bild für Aktien hingegen deutlich aufhellen.
Mit etwas mehr Barmitteln können wir aktuell Chancen nutzen, sobald sie sich bieten – so geschehen Mitte Mai, als wir bei Kursrücksetzern im Goldpreis taktisch investierten.
Wo wir weitere Chancen sehen, lesen Sie im Artikel „Chancen“.