
Die nächste Stufe der KI
KI-Investitionen treiben das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensbewertungen in die Höhe, und agentengetriebene – oder auch agentische – KI wird Geschäftsprozesse revolutionieren. Unternehmen können davon profitieren, wenn sie KI frühzeitig einsetzen, müssen aber auch einige Herausforderungen meistern. Für Investoren könnten sich interessante Opportunitäten in den Bereichen Infrastruktur, spezielle KI-Anwender und Cybersicherheit bieten.
KI-Investitionen beflügeln aktuell den Aktienmarkt
Enorme Investitionen in Rechenzentren, Chips und andere KI-Technologien beeinflussen den Aktienmarkt derzeit stark und führen zu einem hohen Gewinnwachstum sowie erhöhten Bewertungen bei den Anbietern. Zudem hat jede Abweichung bei den erwarteten Gewinnen und Umsätzen einen großen Einfluss auf die Bewertung der Unternehmen.
Frühzeitige Umsetzung
Eine von McKinsey durchgeführte Analyse zur Umsetzung im Kundenservice berichtet von einer um 14 Prozent höheren Problemlösungsrate pro Stunde und einer um 9 Prozent kürzeren Bearbeitungszeit dank des Einsatzes von KI-Agenten.1 OpenAI und Amazon experimentieren mit vollautomatisierten Onlinebestellungen, die die Konversionsraten steigern könnten.2 Reiseplattformen wie Booking.com testen Agenten zur Automatisierung von Planung und Buchung im Hintergrund, um Marketingkosten zu senken und die Effektivität zu steigern.
Langfristige Vorteile
UBS erwartet, dass viele Unternehmen diese Entwicklung in den kommenden zwei bis fünf Jahren weitgehend implementieren.3Die Vorteile könnten erheblich sein: schnellere Aufgabenausführung, höhere Kundenzufriedenheit und weniger Fehler. McKinsey schätzt die jährliche Wertschöpfung auf bis zu 4,4 Billionen US-Dollar.
2025Morgan Stanley bezeichnet agentengetriebene KI als den größten Produktivitätsmotor seit Cloud Computing,4während Goldman Sachs davon ausgeht, dass KI-Agenten bis 2030 mehr als 60 Prozent des Softwaremarktes ausmachen und zur primären Schnittstelle für Wissensarbeiter werden.5
Sektoren mit repetitiven und datenintensiven Prozessen sind am stärksten betroffen. Vorreiter in den Bereichen Datenqualität, Governance und Integration könnten sich einen Wettbewerbsvorteil sichern.
Agentische versus generative KI
Agentische KI beschreibt den Einsatz von KI-Agenten: Dabei handelt es sich um Software-komponenten, die Aufgaben unter begrenzter menschlicher Aufsicht selbstständig planen, ausführen und verbessern können. Beispiele sind die Buchung von Reisen oder die Bearbeitung von Kundenanfragen. Im Vergleich zur generativen KI, die Inhalte produziert, geht die agentische KI einen Schritt weiter und ergreift konkrete Maßnahmen. Wenn Sie beispielsweise eine Reise mit ChatGPT planen, können Sie einen KI-Agenten bitten, die besten Hotels und Reiseoptionen zu suchen und zu buchen. Im geschäftlichen Kontext kann ein KI-Agent eine maßgeschneiderte Softwarelösung entwickeln, um Einblicke in die Leistung eines Unternehmens zu erhalten. Bisher war dafür der Kauf einer bestimmten Software notwendig.
Herausforderungen
Zuverlässigkeit, Speicherkapazität und inkonsistente Ergebnisse sind bisher die Schwachstellen der KI-Agenten, ebenso fragmentierte bzw. qualitativ schwache Daten. Auch die Fähigkeit von Systemen oder Produkten, mit anderen Produkten oder Systemen zusammenzuarbeiten, befindet sich noch in der Entwicklung. Die Kosten und der Energieverbrauch sind ebenfalls hoch, insbesondere bei komplexen Prozessen und mehrstufigen Arbeitsabläufen. Analysten gehen daher davon aus, dass eine großflächige Einführung in Unternehmen erst in einigen Jahren erfolgen wird. Zu den Branchen, die derzeit am stärksten eine Umsetzung forcieren, gehören Software, Werbung und E-Commerce.
Auch Cybersicherheit bleibt ein wichtiges Thema. Wir sehen weiterhin Wachstumschancen für Anbieter, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben.
Geschäftsmodelle im Wandel
Die Geschäftsmodelle der Softwareanbieter wandeln sich von klassischen Benutzeroberflächen hin zu einer agentenbasierten Plattformisierung, bei der mehrere KI-Agenten zusammenarbeiten, um eine Aufgabe oder einen Workflow auszuführen. Beispielsweise entwirft ein Agent eine E-Mail, ein anderer ruft die richtigen Kundendaten ab, ein dritter versendet die Nachricht und ein weiterer protokolliert die Ergebnisse. Auf der Plattformebene wird dabei festgelegt, welcher Agent welchen Schritt ausführt, wodurch komplexe Prozesse vollständig automatisiert werden können. Laut einer aktuellen Umfrage von ABN AMRO und dem Forschungsunternehmen PanelWizard unter 204 Softwareunternehmen befürchten 16 Prozent der Befragten, dass ihre Software dadurch künftig an Relevanz verlieren wird.6
Geschäftsmodelle wandeln sich von lizenz- und stundenbasierten Abrechnungen hin zu ergebnis- bzw. aktionsbasierten Preismodellen. Durch den Einsatz von KI-Agenten können die Ergebnisse der Software (z. B. gelöste Kundenprobleme, konvertierte Leads) direkt den Aktionen eines KI-Agenten zugeordnet werden. Die Preisgestaltung kann dann an die erzielten Ergebnisse statt an die Anzahl der Lizenzen oder die Nutzungsdauer gekoppelt werden. Dies entspricht der Präferenz der Kunden, für Ergebnisse statt für die generelle Bereitstellung zu zahlen. Softwareanbieter reagieren bereits darauf: Salesforce hat Agentforce als agentenbasierte Ebene seiner CRM-Software eingeführt und passt seine Preismodelle schrittweise an eine aktions- oder ergebnisbasierte Abrechnung an.
ServiceNow positioniert sich als Koordinator für Unternehmensworkflows und hat dies durch die Übernahme von MoveWork untermauert. HubSpot baut unterdessen ein eigenes agentenbasiertes KI-Ökosystem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) auf, während Veeva dasselbe für den Gesundheitssektor plant.
Es wird auch viele neue Marktteilnehmer geben, die innovative KI-basierte Angebote anbieten. Aber etablierte Unternehmen mit einer breiten Palette an Lösungen, essentieller Software, einem großen Kundenstamm, fundiertem Know-how und Zugang zu umfangreichen Kundendaten sind nach wie vor im Vorteil, wenn es darum geht, Marktführer zu werden.
Ein selektiver Ansatz ist für Investoren daher sehr zu empfehlen.
E-Commerce und Medien: von CPC zu CPA
Auch E-Commerce und Onlinemedien befinden sich im Wandel. Heute verdienen Plattformen, die digitale Werbeflächen anbieten, hauptsächlich durch Cost per Click (CPC): Der Werbetreibende zahlt für jeden Klick der Nutzer auf eine Anzeige. Mit agentenbasierter KI ändert sich diese Vorgehensweise – Verbraucher nutzen Agenten, um das beste Produkt oder Angebot zu suchen und den Kauf direkt abzuschließen. Das Ergebnis sind weniger Klicks, jedoch mehr abgeschlossene Transaktionen. Es wird erwartet, dass sich das Modell allmählich in Richtung Cost per Action (CPA) entwickelt, bei dem Werbetreibende nur dann zahlen, wenn eine Transaktion wie Kauf oder Buchung stattfindet.
Dies kann tiefgreifende Auswirkungen auf viele Branchen haben. Im Konsumgüterbereich beispielsweise basieren viele der bekannten kostenlosen Apps auf den Einnahmen aus den von ihnen generierten Anzeigen. Daher investieren aktuell viele Plattformen in vertikale Integration (Kontrolle mehrerer Stufen der Onlineshopping-Wertschöpfungskette) und nahtlose Implementierung mit KI-Agenten.
Große Plattformen wie Amazon, Walmart, Alibaba und Booking stärken ihr Angebot, indem sie KI-Agenten einsetzen, um das Kundenerlebnis (Suche, Vergleich, Buchung bzw. Kauf) innerhalb ihrer eigenen Ökosysteme abzuwickeln.
Vorreiter im Bereich der digitalen Werbung wie Alphabet und Meta setzen ihre hochmodernen KI-Modelle ein, um die Wirksamkeit von Werbung deutlich zu verbessern, was zu höheren Werbeeinnahmen und wachsenden Marktanteilen führt. So entstehen hochgradig personalisierte und sich kontinuierlich anpassende Werbekampagnen, die so lange laufen, bis der Kunde das Produkt des Werbetreibenden kauft.
Anlagemöglichkeiten
Für Investoren könnte es interessant sein, sich auf die nächste Entwicklungsstufe des KI-Zyklus vorzubereiten. Sie sollten sich jedoch der Risiken einer übermäßigen Abhängigkeit von KI bewusst sein. Aus unserer Sicht können sich Investitionen auf drei Bereiche konzentrieren:
- Infrastruktur (die Wegbereiter) Anbieter von Cloud- und Rechenzentrums-kapazitäten (die Hyperscaler), Halbleiterlieferanten und stark positionierte Unternehmen in der Halbleiter-Lieferkette.
- KI-Anwender Wichtige Softwareunternehmen, Vorreiter im Bereich der digitalen Werbung, die sich auf die Integration von agentenbasierter KI konzentrieren.
- Cybersicherheit Zunehmend kritisch, da KI und Agenten ihr Angebot bei sensiblen Arbeitsabläufen ausweiten.
1 McKinsey, Was ist ein KI-Agent, März 2025
2 Bank of America, Agentic AI, Juni 2025
3 UBS, Neueste Überprüfungen der Kundenakzeptanz, August 2025
4 Morgan Stanley, Die Agentic-Welle ermöglichen, Juli 2025
5 Goldman Sachs, Agentic AI erweitert den App-Software-TAM, Juni 2025
6 ABN AMRO, Softwarebedrijven nog niet klaar voor AI Agents, Juli 2025