
Wochenkommentar: Märkte zeigen sich widerstandsfähig
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass (geo-) politische Ereignisse meist zu einem starken Anstieg der Volatilität an den Finanzmärkten führen. Trotz der anhaltenden Spannungen zwischen Israel und dem Iran scheinen Anleger an den globalen Aktienmärkten jedoch nicht übermäßig vorsichtige zu sein und haben sich in jüngster Vergangenheit sogar als durchaus widerstandsfähig erwiesen. Das derzeitige Fehlen extremer Volatilität bei riskanten Anlagen deutet darauf hin, dass die Anleger das Risiko einer weiteren Eskalation im Nahen Osten zum jetzigen Zeitpunkt nicht überschätzen.
Sektoren wie Informationstechnologie, Kommunikationsdienstleistungen und Finanzen haben sich seit Ende letzter Woche leicht überdurchschnittlich positiv entwickelt. Defensive Sektoren wie das Gesundheitswesen, Versorger sowie Basiskonsumgüter waren im Berichtszeitraum dagegen etwas schwächer.
Im Regionalen Vergleich waren die Marktentwicklung recht einheitlich, wobei die europäischen Märkte in Euro leicht hinterherhinkten, während Japan sich etwas besser entwickelte.
Die letzte Woche war für den Solarenergiesektor herausfordernd. Nach der Veröffentlichung des Haushaltsentwurfs des Senats verzeichnete dieser starke Bewegungen. Der Entwurf enthält einen Plan zum Ausstieg aus Solar-, Wind- und Energiegutschriften bis 2028. Enphase Energy and Solar gehörten daher zu den Titeln mit der schlechtesten Wertentwicklung in den USA.
Zusätzlich gab es Spekulationen, dass Amazon und Walmart möglicherweise ihre eigenen Stablecoins in den USA ausgeben werden. Dies hat die Aktien von Visa und Mastercard unter Druck gesetzt, da die Anleger die potenziellen Auswirkungen solcher Projekte auf ihre starke Position im Zahlungssektor in Frage stellen. Auch wenn es noch zu früh ist, um die Auswirkungen korrekt zu bewerten, ist zu beachten, dass eine Änderung des Verbraucherverhaltens in der Regel schwierig ist und tendenziell eher einen langfristigen Charakter hat. Das bedeutet, dass selbst wenn diese verschiedenen Projekte erfolgreich sind, das Risiko einer plötzlichen Disruption für Unternehmen wie Visa und Mastercard eher unwahrscheinlich ist. Die beiden Unternehmen investieren ebenfalls in diesen Bereich, um ihre Marktposition zu behalten.
In den USA gehörten Coinbase (Krypto-Asset-Börse), Estée Lauder und AMD zu den Unternehmen mit der stärksten Wertentwicklung in der vergangenen Woche. Unterdessen schnitten Biopharma-Unternehmen wie Moderna und Bristol Myers Squibb sowie der Solarsektor unterdurchschnittlich ab. In Europa zeigte Telecom Italia, MTU Aero Engines (Luft- und Raumfahrt) und deutsche Immobilienunternehmen wie Vonovia und TAG Immobilien eine überdurchschnittliche Entwicklung. Renault, Beiersdorf (Kosmetika) und Fresenius Medical Care waren eher rückläufig.
Die US-Notenbank wartet ab
Am 18. Juni stimmte der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) dafür, den Leitzins unverändert zu lassen. Sie veröffentlichten auch neue Wirtschaftsprognosen, die für das aktuelle Jahr ein schwächeres Wachstum, eine höhere Inflation und eine höhere Arbeitslosigkeit prognostizieren. Die Erwartung für weitere Zinsentwicklungen zeigte ein heterogenes Bild unter den politischen Entscheidungsträgern. Zehn Währungshüter prognostizieren mindestens zwei Zinssenkungen vor Ende 2025, während sieben in diesem Jahr keine Zinssenkungen sehen.
Die Beamten der Federal Reserve (Fed) und Ökonomen gehen davon aus, dass die Erhöhung der Zölle durch die US-Regierung die Wirtschaftstätigkeit belasten und den Aufwärtsdrück auf die US-Preise wieder erhöhen sollte. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell sagte, dass die Zentralbank die Auswirkungen der Zölle abwarten möchte, bevor sie ihre Politik anpasse. Zunächst reagierten die Märkte positiv, wobei sich US-Staatsanleihen erholten. Das Marktumfeld drehte sich jedoch wieder, da Spreads auf Kreditaktiva auf ein leicht höheres Niveau als vor Beginn des Handelskriegs am 2. April stiegen.
Betrachtet man die Inflation im Monatsvergleich, so zeigt sich sowohl in den USA als auch in Europa ein Abwärtstrend. Die Inflationsrate hat ihre Höchststände aus dem Jahr 2022 überschritten und erreicht nun wieder ein für die Zentralbanken akzeptables Niveau. Händler erwarten in diesem Jahr zwei weitere Zinssenkungen der Fed, während unser Volkswirte davon ausgehen, dass die Fed weiterhin abwarten wird. Unterdessen schlug die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer letzten Sitzung einen vorsichtigeren Ton an, was darauf hindeutet, dass sich der Zinssenkungszyklus möglicherweise seinem Ende nähert. Wir rechnen jedoch weiterhin mit weiteren Zinssenkungen durch die EZB.
Dieses Szenario deckt sich mit unseren Erwartungen: eine vorsichtige Fed und eine expansive EZB. Diese Situation stärkt unser Vertrauen in unsere aktuelle Ausrichtung. Wir bevorzugen europäische Vermögenswerte gegenüber US-Titeln, was sich in unserer Übergewichtung in europäischen Staatsanleihen ausdrückt. Am Anleihenmarkt sind Hochzins- und Schwellenländeranleihen mehrheitlich der US-Duration ausgesetzt, und ihre Spreads sind hoch. Daher halten wir an ihrer Untergewichtung fest und investieren in Anleihen mit höherer Bonität, die im Falle einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Vorteil sein könnten.
Redaktionsschluss: donnerstags, 15:00 Uhr