
Wochenkommentar: Warten auf den Hochpunkt der Inflation
Der Aktienmarkt setzte zu Beginn der vergangenen Woche seine negative Wertentwicklung fort, konnte die Verluste der ersten Wochenhälfte bis zum Freitag jedoch fast wieder ausgleichen. Der S&P 500 Index verlor 2,4 %, während der STOXX Europe 600 Index ein Plus von 0,8 % verzeichnen konnte. Nach wie vor beeinflussen Lockdowns in China, der Krieg in der Ukraine, hohe Energiepreise und die auf die hohe Inflation reagierende Geldpolitik das Verhalten der Investoren.
Der S&P 500 Index liegt jetzt beinahe 15 % unter seinem Hoch von Ende 2021, der STOXX Europe 600 Index hat sich 13 % vom Hoch entfernt. Fraglich bleibt wann und auf welchem Niveau eine Bodenbildung stattfindet. In der Vergangenheit war es laut Daten von Bloomberg so: In 12 von 16 Fällen seit 1940, in denen der US-Aktienmarkt binnen vier Monaten um 16 % gefallen ist, lag er sechs Monate später wieder höher.
Die Inflationsdaten vom vergangenen Mittwoch wurden mit Spannung erwartet, weil sie einen Hinweis darauf geben können, wann die Inflation ihren Höhepunkt erreicht. Analysten von Exane verweisen darauf, dass in der Vergangenheit die Aktienmärkte einen Boden ausgebildet und anschließend wieder Kursgewinne verzeichnet haben, wenn die Inflation nach einem Anstieg ihren Höhepunkt erreicht hat (in den Jahren, als Inflation ebenfalls ein großes Thema war: 1965-1982). Dem ersten Anschein nach gibt es aber immer noch keine Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt der Teuerung bereits erreicht ist: Die Inflationsrate liegt in den USA bei 8,3 %, während nur 8,1 % erwartet worden waren.
Was sich nach wie vor gut entwickelt, sind die Unternehmensgewinne. Vor dem Hintergrund der hohen Inflation fokussierten sich die Märkte besonders auf den Margen-Ausblick der Unternehmen. Im Großen und Ganzen scheinen die Unternehmen in der Lage zu sein, ihre Kostensteigerungen weiterzureichen, weil die Kunden entsprechende Preiserhöhungen akzeptieren. Auch wenn das Abwälzen der höheren Kosten auf die Verbraucher bisher funktioniert hat, bleibt fraglich ob dies auch weiterhin so gelingt. Das durchschnittliche Umsatzwachstum im ersten Quartal liegt bei den Unternehmen, die bislang Zahlen vorgelegt haben, sowohl in den USA als auch in Europa über 10 %. Beim Gewinn je Aktie bewegt sich das Wachstum in einer ähnlichen Größenordnung.
Da die Gewinne immer noch stark steigen, und die Aktienkurse fallen, sinken die Bewertungsmessstäbe umso stärker. Das KGV auf Basis des erwarteten Gewinns für die nächsten 12 Monate ist beim S&P 500 Index von Ende 2021 bis jetzt von 22 auf 20 gefallen. Dennoch sind amerikanische Aktien noch nicht so günstig wie bei den Korrekturen Ende 2018 und zu Beginn der Corona-Pandemie, als das KGV jeweils auf 14 gefallen war. Der STOXX Europe 600 Index liegt inzwischen bei einem KGV von 15 Wie immer gilt aber: Niedrige Bewertungen allein halten eine Aktienmarktkorrektur noch nicht auf. Es braucht wahrscheinlich erst eine Verbesserung einiger der oben genannten Einflussfaktoren, bevor sich der Markt wieder dreht.
Anleihen: Bessere Aussichten
Die Rentenmärkte haben dieses Jahr bereits eine beträchtliche negative Wertentwicklung hinter sich. Unsere Benchmark (Vergleichsmaßstab) für Investment-Grade-Anleihen, (Bloomberg Euro Aggregate 1-10 Year Index) also Anleihen hoher Bonität, hat seit Jahresbeginn 5,8 % verloren, bei Hochzinsanleihen ist die Wertentwicklung noch (deutlich) schlechter.
Dies liegt vor allem an der hohen Inflation, die die Notenbanken zu einer restriktiven Geldpolitik zwingt und an den Märkten nach den Renditetiefs während der Corona-Pandemie zu einem deutlichen Anstieg der Renditen führt. Unsere Einschätzungen und Prognosen zur zukünftigen Wertentwicklung von Anleihen möchten wir Ihnen im folgenden Darstellen:
Wir sehen aus mehreren Gründen gute Chancen für eine positive Wertentwicklung von Anleihen. Erstens sind die Renditen jetzt deutlich höher als zu Beginn des Jahres. Wenn sich die Renditen jetzt seitwärts bewegen oder leicht steigen, ist die gesamte Wertentwicklung von Anleihen dennoch positiv. Dadurch befindet sich der Anleihemarkt in einer grundlegend anderen Ausgangssituation als zu Beginn des Jahres, als viele höherwertige Anleihen eine negative Verzinsung hatten. Damals hätten die Renditen aber noch weiter in den negativen Bereich fallen müssen, um eine negative Gesamtentwicklung zu verhindern.
Zweitens haben die Märkte einen hohen Renditeanstieg bereits vorweg genommen. Die Zentralbanken müssten bei Leitzinserhöhungen über die Markterwartung hinaus gehen, um noch weitere Renditeanstiege im Anleihemarkt zu rechtfertigen. Ob es dazu kommt, hängt von der Inflationsentwicklung ab. Unsere Volkswirte rechnen damit, dass die Inflation im Lauf des Jahres ihren Höhepunkt erreicht und anschließend wieder fällt.
Drittens werden das Risiko und die Angst vor einer Rezession durch die geldpolitische Verknappung zunehmen. Dies wird die Nachfrage nach sogenannten sicheren Häfen steigern und die Renditen sinken lassen.
Zur Verdeutlichung dieses letzten Punkts: Die Renditen auf Staatsanleihen sind vergangene Woche deutlich gefallen. Bei 10-jährigen Titeln liegen die Renditen sowohl in den USA als auch in Deutschland mehr als 20 Basispunkte unter ihrem jüngsten Hoch. Und das, obwohl EZB-Chefin Christine Lagarde vergangene Woche den Anschein erweckte, als würde sie eine Zinserhöhung im Juli unterstützen, und obwohl die Inflationsdaten in den USA Grund zur Sorge bereiten. Die Teuerung lag über den durchschnittlichen Erwartungen der Analysten und stieg auch im Dienstleistungsgewerbe.
Dies zeigt, dass die Inflation unter Umständen nicht mehr der einzige Renditetreiber ist. Trotzdem bleibt sie natürlich ein entscheidender Faktor, und da die Unsicherheit im Hinblick auf die Inflation weiter hoch ist, dürfte auch die Volatilität der Renditen in den kommenden Monaten hoch bleiben.
Wir haben vor ein paar Wochen unsere Position in Staatsanleihen aufgestockt und damit den Großteil unserer Untergewichtung von höherwertigen Anleihen beendet. Diese Titel bieten jetzt wieder eine positive Wertentwicklung und können in einem Portfolio gleichzeitig als Diversifizierung und Absicherung dienen.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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