Wochenkommentar: US-Renditen in Zentrum des Marktgeschehens

Der wachsende Inflationsdruck, insbesondere in den USA, lässt die Renditen steigen und macht die Aktienmärkte nervös: Mit der Veränderung des Inflationsumfelds nimmt bei den Aktieninvestoren eine Rotation Form an.
Abseits der Märkte gewinnen die Impfprogramme an Dynamik. Dies schürt die Hoffnung auf eine schnellere und stärkere konjunkturelle Erholung. Und das bedingt wiederum eine Rotation weg von Unternehmen, die von den Corona-Maßnahmen profitieren, hin zu solchen, die darunter gelitten haben – und eine (leichte) Verlagerung von Wachstumstiteln auf Value-Titel. Unterdessen behalten die Notenbanken ihren expansiven geldpolitischen Kurs bei.
Die Teuerungsdynamik verändert sich von einer Nachfrageinflation zu einer Kosteninflation. Aufgrund der Corona-Pandemie ging die Teuerung 2020 überwiegend auf steigende Verbraucherpreise zurück. Der Treiber waren fiskalpolitische Unterstützungsprogramme, mit denen der Staat die Nachfrage unterstützen will. Seit November steigen die Rohstoffpreise aber schneller als die Verbraucherpreise. Somit wird die Inflation vor allem durch höhere Kosten verursacht. In der Folge sind auch die Renditen gestiegen – unter anderem, weil die Hoffnung auf eine massive konjunkturelle Erholung zunimmt.
Vor diesem Hintergrund erleben wir an den Aktienmärkten eine Rotation hin zu stärker zyklischen Value-Sektoren: Vor allem Energie und Finanzen verzeichnen momentan eine Outperformance. Ob sich diese Rotation fortsetzt, hängt natürlich von vielen Faktoren ab; am wichtigsten sind aber wohl die Zinsentwicklung und die Reaktion der Fed. Die Notenbank selbst sagt, sie werde erst über eine Straffung der Geldpolitik nachdenken, wenn die Inflation im Durchschnitt bei 2 % liegt und die Arbeitslosenquote sich vollständig erholt hat. So weit sind wir noch nicht.
Die aktuelle Rotation verkleinert auch das Performance-Gefälle zwischen Aktien im Bereich der alternativen Energien und solchen im Bereich der klassischen fossilen Energieträger. Dieser Trend könnte sich fortsetzen, wenn die Zinsen weiter steigen. Doch angesichts der vielen „Green Deals“, die von Regierungen weltweit angekündigt werden, dürften Unternehmen im Bereich der alternativen oder neuen Energien profitieren.
Anleihen: Markttreiber Reflation
Reflationstrades sind seit Jahresbeginn das beherrschende Thema an den Finanzmärkten; dabei stehen die Renditen auf US-Staatsanleihen im Mittelpunkt. Der ursprüngliche Auslöser für den Anstieg der Renditen waren die immer höheren Inflationserwartungen, inzwischen steigen aber auch die realen Zinsen, denn die Märkte preisen die starke konjunkturelle Erholung ein, die für das zweite Halbjahr prognostiziert wird.
Die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen (Treasuries) war in der vorletzten Woche zwischenzeitlich auf 1,6 % gestiegen, lag Ende der vorletzten Woche dann bei 1,4 % und blieb in der vergangenen Woche volatil. Unsere Volkswirte gehen davon aus, dass die Inflation bei rund 2 % unter Kontrolle bleibt, sodass die Fed die Zinsen niedrig lassen kann, was letzten Endes die Renditen nach oben begrenzen dürfte. Somit liegen unsere Prognosen für die Renditen von 10-jährigen US-Treasuries für Ende dieses Jahres bei 1,20 % und für Ende nächsten Jahres bei 1,50 %. Daher erscheinen amerikanische Staatsanleihen auf dem aktuellen Niveau allmählich als interessante Alternative zu Staatsanleihen der Euro-Kernländer. Wir sind uns aber bewusst, dass die Märkte auf kurze Sicht weiter über unsere Zielmarken hinausschießen könnten, weil der sogenannte Reflationstrade weiterhin dominant bleibt. Aufgrund von Basiseffekten und höheren Ölpreisen dürften die Inflationszahlen in den kommenden Monaten vorübergehend höher sein. Diese Effekte werden auslaufen, könnten vorher aber die Reflationstrades verstärken. Deshalb sollten Sie vorerst vorsichtig bleiben.
Bei europäischen Staatsanleihen sind die Renditen zwar nicht ganz so stark gestiegen wie in den USA, aber auch hierzulande zeigte der Renditetrend im vergangenen Monat nach oben. Die EZB scheint dies etwas stärker zu beunruhigen als die Fed. Dies zeigen die Aussagen der Mitglieder des EZB-Rats und die verbale Intervention von EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der vorletzten Woche. Mit dem PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme, Pandemie-Notfallkaufprogramm) hat die EZB ein leistungsstarkes Instrument an der Hand, um die Renditen (und die Risikoaufschläge bei Staatsanleihen der Peripherieländer) unter Kontrolle zu behalten.
Die Risikoprämien von Unternehmensanleihen zeigten sich von der durch steigende Staatsanleiherenditen ausgelöste Volatilität weitgehend unbeeindruckt. Durch die Unterstützung von den Zentralbanken ist ein Anstieg der Risikoaufschläge bei Investment-Grade-Anleihen deutlich erschwert worden. Wir sehen bei einer Stabilisierung der risikolosen Zinsen auf einem höheren Niveau Potenzial für einen Rückgang der Risikoaufschläge, was die Zinsverluste zum Teil kompensieren dürfte.
Gleichzeitig profitieren Hochzinsanleihen weiterhin von der erwarteten konjunkturellen Erholung, die in den kommenden Monaten zu einer weiteren Spread-Performance führen dürfte. Deshalb sind Hochzinsanleihen im aktuellen Umfeld in unseren Augen weiterhin attraktiver als Anleihen mit hohem Rating.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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