
Wochenkommentar: US-Arbeitsmarkt und Berichtssaison stützen die Märkte
Obwohl die starke Dynamik der Wachstumsindikatoren in den vergangenen Monaten nachgelassen hat, sind die wichtigsten Aktienindizes weiter leicht gestiegen. Angetrieben wurde diese Entwicklung durch eine Verlagerung des Schwerpunkts von zyklischen Aktien und Value-Titeln hin zu Wachstumstiteln und defensiven Aktien.
Zyklische Sektoren, zu denen Finanzen, Grundstoffe und die sogenannten Re-Opening-Aktien zählen, boomen in der Regel bei einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und einem allmählichen Anstieg der Zinsen. Wenn die Wachstumsdynamik nachlässt, die Corona-Sorgen wieder zunehmen und die Zinsen nachlassen, setzen sich wieder Sektoren wie Technologie und Gesundheit an die Spitze. Letzteres war in den vergangenen zwei Monaten zu beobachten.
Unterdessen nimmt die Berichtssaison für das zweite Quartal ihren Lauf. Nachdem inzwischen die meisten Unternehmen Zahlen vorgelegt haben, zeigt sich bereits ein klares Fazit: Die hohen Erwartungen wurden über alle Bereiche hinweg übertroffen. Dies war natürlich ein positiver Treiber für die Märkte, bestätigt es doch die aktuelle Erholung, die sich in vielen Fällen als noch stärker erweist als erwartet.
Dennoch war die Entwicklung nicht für alle Unternehmen positiv, denn die steigenden Preise der Einsatzgüter, die zum Teil auf Lieferengpässe zurückzuführen sind, trüben in einigen Fällen die Gewinnaussichten für die kommenden Quartale. Dies gilt zum Beispiel für Bereiche, die auf Halbleiter angewiesen sind, wie die Automobilindustrie, der nicht zyklische Konsum oder die Getränkeindustrie, die mit steigenden Rohstoffpreisen zu kämpfen haben. Hier werden die Auswirkungen der Pandemie, die das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage vorübergehend gestört hat und sowohl die Produktions- als auch die Transportkosten steigen ließ, noch einige Zeit lang zu spüren sein, bevor sich die Lage wieder normalisiert.
Anleihen: Arbeitsplätze und Inflation im Fokus
In der Vorwoche wurden in den USA Daten zur Beschäftigungslage und zur Inflation veröffentlicht, die sowohl von der US-Notenbank Fed als auch von den Investoren mit Spannung erwartet worden waren. Während das über den Erwartungen liegende Beschäftigungswachstum die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen leicht steigen ließ, löste die Inflation praktisch keine Reaktion aus.
Die Rendite auf 10-jährige Treasuries ging leicht nach oben, nachdem für den Monat Juli ein über den Erwartungen liegendes Beschäftigungswachstum bekannt gegeben wurde, denn der Arbeitsmarktbericht fiel über alle Kennzahlen hinweg gut aus. Die Beschäftigung verzeichnete den stärksten Zuwachs seit fast einem Jahr, und die Arbeitslosigkeit fiel auf ein Tief von 5,4 Prozent.
Die Erwerbsquote liegt hingegen immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau, und die Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen. In dem Bemühen, arbeitslose Amerikanerinnen und Amerikaner dazu zu bewegen, sich nach einem Arbeitsplatz umzusehen, beendete rund die Hälfte der 50 US-Bundesstaaten die während der Pandemie eingeführten Arbeitslosenprogramme. In anderen Ländern laufen diese Programme im September aus. Darüber hinaus heben Arbeitgeber die Löhne und Gehälter an und zahlen Boni, um Beschäftigte zu gewinnen.
Personalmangel, Rohstoffknappheit und Lieferengpässe dürften in den kommenden Monaten weiterhin die Verbraucherpreise unter Druck setzen. Die am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Gesamtinflation für den Monat Juli (der Verbraucherpreisindex, VPI) war nach wie vor erhöht, entsprach aber den Erwartungen der Volkswirte (+0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat und +5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Die Kerninflation lag hingegen unter den Erwartungen. Die Zahlen zeigen, dass einige der Preise, die mit den Öffnungen nach den Pandemiemaßnahmen zusammenhängen, wieder sinken. Dass die Kosten für gebrauchte Pkw und Lkw weniger gestiegen sind, war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Kerninflation etwas nachließ. Wäre die Inflation weiter gestiegen, hätten die Märkte unter Umständen schockiert reagiert und einen Anstieg der Leitzinsen erwartet, aber so haben die Märkte die Inflationszahlen praktisch ignoriert.
Beide Werte, die Beschäftigung und die Inflation, werden auch von der Fed genau beobachtet und bei der Entscheidung, wann die Anleihekäufe reduziert werden sollen, berücksichtigt. Vertreter der Fed sagten, der Arbeitsmarkt müsse sich noch weiter erholen, bevor die Zentralbank anfangen könne, ihre Käufe zurückzufahren. Fed-Gouverneur Christopher Waller sagte vergangene Woche, wenn die nächsten zwei monatlichen Beschäftigungsberichte kontinuierliche Zuwächse aufweisen, könnte er einer solchen Maßnahme zustimmen. Im Hinblick auf die Inflation sagten die Fed-Vertreter, der aktuelle Anstieg sei weitgehend vorübergehender Natur, weil die Erholung so schnell voranschreite und Angebotsengpässe Wirkung zeigten. Diese Effekte werden in den kommenden Monaten nachlassen. Die EZB vermittelt die gleiche Botschaft, und das entspricht auch unserem Basisszenario. Allerdings müssen wir die Inflationsrisiken genau im Auge behalten.
Die Märkte scheinen das Inflationsthema bereits eingepreist zu haben, und eine Zinserhöhung durch die Zentralbank scheint noch etwas zu weit in der Zukunft zu liegen. Wir rechnen mit einer Konsolidierung der aktuellen Zinsen ohne große Ausschläge, wenngleich es zwischendurch zu einer etwas höheren Volatilität kommen kann.
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