
Wochenkommentar: Quartalszahlen stützen trotz steigender Zinssorgen
Trotz über den Erwartungen liegender Quartalszahlen waren die weltweiten Aktienmärkte vergangene Woche über alle Regionen hinweg volatil.
Die Renditen auf Staatsanleihen gerieten stärker unter Druck, nachdem die Inflationsdaten eine anhaltende Teuerung zeigten, was den Vorsitzenden der St. Louis Federal Reserve Bank, James Bullard, veranlasste, eine Beschleunigung der Zinserhöhungen zu fordern.
Zyklische Sektoren, wie Finanzen, Grundstoffe und Industrie, führten den Markt an, während defensive Sektoren vergangene Woche weniger gefragt waren. Versorger und Telekomunternehmen hinkten hinterher. Der Energiesektor hatte darunter zu leiden, dass sich die Investoren Sorgen machten, die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Washington und Teheran könnte ein internationales Atomabkommen wiederbeleben; dann könnte Iran mehr Öl exportieren. Gleichzeitig zog aber der Ölpreis zum Wochenschluss wieder an, nachdem von Seiten der USA vor einer militärischen Intervention Russlands in der Ukraine gewarnt wurde.
Die Geschäftszahlen für das vierte Quartal sind in Europa bislang gut ausgefallen: Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg berichteten 59 % der Unternehmen im Durchschnitt mehr als 11 % über den Erwartungen der Marktanalysten. In den USA haben 77 % des S&P-500-Index (auf Basis der Marktkapitalisierung) Geschäftszahlen vorgelegt. Drei Viertel dieser Unternehmen lagen über den Erwartungen.
Anleihen: Schweigen der EZB schadet Anleiheportfolios
Als EZB-Chefin Christine Lagarde von Journalisten gefragt wurde, ob sie eine Zinserhöhung im Jahr 2022 immer noch als sehr unwahrscheinlich einstufe, sagte sie erst einmal nichts – und schadete damit den Anleiheportfolios.
Es begann alles vorletzte Woche mit der Veröffentlichung der europäischen Inflationszahlen, die deutlich höher als erwartet ausfielen. Die Teuerung stieg auf einen Rekordwert von 5,1 %, während eigentlich ein Rückgang auf 4,4 % erwartet worden war. Die Rekordinflation geht in erster Linie auf den drastischen Anstieg der Energiepreise zurück, aber auch die Preise für andere Waren und Dienstleistungen steigen relativ schnell. Die Kerninflation betrug immerhin auch 2,3 % und war damit höher als erwartet.
Bei der Pressekonferenz der EZB am darauffolgenden Tag wurde klar, dass die Inflationsentwicklung der Zentralbank seit einigen Wochen zunehmend Sorgen bereitet. Nach den Rekordwerten von Januar will die EZB den Preisdruck genauer beobachten. Inzwischen heißt es, die Inflation werde vor allem von den hohen Energiepreisen und von den Schwierigkeiten in den Lieferketten getrieben. Auf der Angebotsseite kann die EZB nicht eingreifen, sie kann höchstens über eine restriktivere Geldpolitik die Nachfrage eindämmen. Der Inflationsdruck durch Lohnsteigerungen bleibt in Europa hingegen relativ begrenzt.
Also beschloss die EZB, ihre Geldpolitik vorerst nicht zu verändern. Lagarde bestätigte, sie werde die monatlichen Anleihekäufe bis Oktober nach und nach auf EUR 20 Mrd. zurückfahren. Sie sagte aber auch, die im März anstehenden neuen Konjunkturprognosen könnten Anlass geben, die Geldpolitik auf den Prüfstand zu stellen, und sie wollte eine Zinserhöhung im Jahr 2022 anders als bislang nicht mehr als „sehr unwahrscheinlich“ bezeichnen.
Lagardes veränderte Einschätzung schürt die Spekulation, die EZB könnte einen restriktiveren Kurs einschlagen. Der Geldmarkt preist für 2022 inzwischen vier Zinserhöhungen um jeweils 10 Basispunkte ein. Die Aussicht auf eine weniger expansive Geldpolitik ließ die Anleiherenditen steigen. Bei 10-jährigen italienischen Staatsanleihen stieg die Rendite seit Jahresbeginn bereits um 50 Basispunkte. Die Rendite auf 10-jährige Bundesanleihen liegt im positiven Bereich und bewegt sich auf einem Niveau, das seit Februar 2019 nicht mehr erreicht wurde. Insgesamt schrumpft die Zahl der Staatsanleihen mit negativer Rendite schnell.
Die Inflationsdaten und Lagardes Weigerung, eine Zinserhöhung für 2022 auszuschließen, führten an den Anleihemärkten zu Volatilität. Die entscheidende Frage lautet: Wird das Schweigen der EZB im Hinblick auf die Zinspolitik bei der März-Sitzung gebrochen?
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