
Wochenkommentar: Politik treibt die Börse weiter an
Zu Beginn der Woche setzte sich die Jagd nach neuen Rekordständen an den US-Börsen zunächst fort, angetrieben von Hoffnungen auf eine Entspannung der Handelskonflikte mit Kanada und der EU. Die Anleger spekulierten auch über eine mögliche Zinssenkung durch die US-Notenbank (Fed). Darüber hinaus stand die vom US-Senat verabschiedete Steuerreform von Präsident Donald Trump im Fokus.
Die Stimmung der Anleger wurde durch zurückhaltende Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell gedämpft. Die anhaltenden Streitigkeiten zwischen den USA und verschiedenen Handelspartnern trübten die Stimmung zusätzlich. Hingegen hat Trumps Steuer- und Ausgabenreform die Hürde des US-Senats genommen. Die als „großes, schönes Gesetz” bezeichnete Reform umfasst Steuersenkungen aber auch höhere Ausgaben für den Grenzschutz und die Verteidigung. Die Auswirkungen dürften für die Aktienmärkte positiv sein. Die Verabschiedung des Gesetzes könnte jedoch die US-Verschuldung weiter erhöhen und sich negativ auf die Anleihemärkte auswirken.
US-Notenbankchef Jerome Powell erklärte auf dem EZB-Forum im spanischen Sintra, dass jede Entscheidung über Zinssenkungen von den Wirtschaftsdaten abhänge. Dies dämpfte die Erwartungen der Anleger hinsichtlich einer Zinssenkung in naher Zukunft leicht. Im weiteren Verlauf der Woche spiegelte sich dies in uneinheitlichen Entwicklungen an den US-Börsen wider. Während der S&P 500 Index ein neues Rekordhoch erreichte, geriet der Dow Jones aufgrund enttäuschender Beschäftigungsdaten unter Druck. Darüber hinaus sorgten die geplanten Zölle der US-Regierung für Unsicherheit. Die widersprüchlichen Aussagen von Trump zur Verlängerung der Frist für Handelsabkommen mit der EU verstärkten diese Unsicherheiten. Ein Handelsabkommen mit Vietnam und die Ankündigung der Aufhebung von Beschränkungen für Chip-Design-Software in China im Rahmen eines Handelsabkommens mit China sorgten jedoch für eine Rückkehr der positiven Stimmung an der Wall Street.
Anleihen: Besser geht es nicht?
Im Juni konnten sich die Kreditrisikoaufschläge von Unternehmensanleihen (sowohl Investment Grade als auch High Yield) und Schwellenländeranleihen weiter verengen. Dies geschah trotz einer gewissen Abschwächung der US-Konjunkturdaten. (Der Citigroup Economic Surprise Index drehte im Juni für die USA ins Negative.) Die Risikoaufschläge liegen nun unter dem Niveau des „Liberation Day“ und in vielen Marktsegmenten nahe historischen Tiefstständen.
Gleichzeitig sanken die Renditen von US-Staatsanleihen über fast die gesamte Kurve um etwa 15 Basispunkte. Die schwächeren Wirtschaftsdaten führten zu Erwartungen weiterer Zinssenkungen durch die US-Notenbank in diesem Jahr. Der längere Teil der Kurve blieb hingegen von dem „großen, schönen Gesetz” unberührt, das derzeit den Weg durch das Repräsentantenhaus und den Senat nimmt, auch wenn dies aus Sicht der Schuldentragfähigkeit Anlass zur Sorge geben könnte.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Märkte ein „Goldilocks-Szenario” vollständig eingepreist haben, d. h. ein makroökonomisches Umfeld mit moderatem Wachstum (möglicherweise unter dem Potenzial, aber nicht negativ), stabiler und kontrollierter Inflation und niedriger Arbeitslosigkeit. Dieses Szenario ist für Unternehmen und Anleger optimal.
Der in dieser Woche veröffentlichte Arbeitsmarktbericht bestätigt, dass der Arbeitsmarkt vorerst stark bleibt. Dennoch könnte die Abschwächung der US-Konjunkturdaten erst der Anfang sein, da die Unternehmen bei Investitionen und Einstellungen weiterhin zurückhaltend sind und die Konsumausgaben zurückgehen. Bislang scheinen die Unternehmen die Auswirkungen der Zölle noch zu absorbieren, doch letztlich werden sie die höheren Preise weitergeben. Die Anlegerstimmung ist positiv. Solange diese Einschätzung vorherrscht, dürften neue Volatilitätsschübe begrenzt bleiben, doch erneute Turbulenzen aufgrund von Maßnahmen der Trump-Regierung sind nicht auszuschließen. Die Finanzmärkte gelten als Hauptgrund dafür, dass Präsident Donald Trump begonnen hat, seine Zollpläne zurückzunehmen. Nächste Woche läuft die Aussetzung der gegenseitigen Zölle aus, und angesichts der starken Märkte könnte Trump sich ermächtigt fühlen, wieder eine härtere Haltung einzunehmen.
Redaktionsschluss: donnerstags 15 Uhr