
Wochenkommentar: Neue Allzeithochs in den USA
Die Märkte haben sich in den vergangenen Wochen trotz der Abkühlung in China, des gestiegenen Inflationsdrucks und der allmählich restriktiveren Geldpolitik der Fed erholt. Allerdings war die Entwicklung nicht über alle Regionen hinweg einheitlich. Nur die US-Aktienmärkte verzeichneten erneut Allzeithochs mit dem S&P 500 Index, welcher am Freitag die Marke von 4600 Punkten überschritt. Die europäischen Märkte erholten sich zwar, erreichten aber keine neuen Hochs, während die Schwellenmärkte, insbesondere China, weiterhin unter Druck sind.
Diese Diskrepanz der Wertentwicklung lässt sich anhand von zwei Faktoren erklären: In den USA hat die konjunkturelle Dynamik zugenommen, was vor allem an einem gestiegenen Verbrauchervertrauen liegt. Außerdem fielen die Unternehmensgewinne im dritten Quartal gut aus. 81 % der Unternehmen, die in der laufenden Berichtssaison bislang Zahlen vorgelegt haben, konnten die Gewinnerwartungen übertreffen und meldeten ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von rund 36 %. In Europa konnten nur 62 % der Unternehmen, die bereits ihre Ergebnisse vorgelegt haben, die Gewinnerwartungen übertreffen, dafür lag die Gewinnsteigerung bei den europäischen Unternehmen gegenüber dem Vorjahr im Schnitt bei 37 %.
Was die unterschiedlichen Sektoren betrifft, verzeichnete der Energiesektor in den vergangenen Tagen eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung, nachdem die Energiewirtschaft 2021 bislang der erfolgreichste Sektor war. Der IT-Sektor kann ebenfalls eine gute Performance vorweisen.
Anleihen: Gegen die Notenbank oder mit ihr ? Das ist die Frage.
Die hohen Inflationsraten als Folge der Covid19-Pandemie, welche bis zum Jahresende wohl nicht nachlassen werden, sind eine der großen Überraschungen des Jahres. Auch die Notenbanken zeigten sich hiervon beeindruckt. Die langfristigen Inflationserwartungen der Anleiheinvestoren stiegen von 1,5 % Anfang September auf vorübergehend über 2 % in der vergangenen Woche. Das entspricht zwar genau dem Niveau, welches die Europäische Zentralbank (EZB) anstrebt, jedoch entspricht die Ursache der derzeitigen Inflation nicht jener die sich die EZB wünscht. Statt die zu niedrige Inflation für überwunden zu erklären, machen sich die Notenbanken jetzt ernsthafte Sorgen, dass die Inflation noch nicht dauerhaft zurückgekehrt ist.
Inflationsprognosen sind notorisch schwierig, jedoch stimmen wir der Einschätzung der Notenbanken zu, dass die Inflation im Lauf von 2022 schnell zurückgehen dürfte. Unsere Inflationsprognose für die kommenden 12 Monate liegt mehr als 1 % unter den Markterwartungen, was für Inflationsanleihen ein besonderes Risiko darstellt. Es ist allerdings schwer abzuschätzen, wann diese Botschaft zu den Märkten durchdringt und ob sie ausreicht um die Investoren davon zu überzeugen oder ob weitere Belege nötig sind.
Unterdessen hat sich die EZB sehr an die Größe und die Flexibilität des 2022 auslaufenden Pandemienotfallkaufprogramms (PEPP) gewöhnt. Daher hat sie großes Interesse daran, das reguläre Anleihekaufprogramm so anzupassen, dass es stärker dem PEPP gleicht. Bei der Dezember-Sitzung der EZB sind entschlossene Maßnahmen zu erwarten. Mehr Flexibilität bei den Anleihekäufen der EZB käme vor allem den Regierungen am Rand der Eurozone zugute, da die EZB dadurch die Renditeabstände verkleinern könnte.
In unseren Augen ist das politische Risiko in Italien heute erheblich geringer als noch vor drei Jahren. Damals machte eine populistische Regierung einen EU-Austritt Italiens zu einer echten Gefahr. Doch die meisten italienischen Ideen, die die Märkte damals schockierten (Haushaltsdefizit erhöhen, EU-Schuldenkriterien aufweichen, auf unbestimmte Zeit Staatsanleihen an die EZB verkaufen), scheinen inzwischen im politischen Mainstream der Europäer angekommen zu sein, vielleicht sogar in Deutschland. Dass Italien vom Außenseiter zu einem Vertreter des europäischen Mainstreams wurde, begründet sich jedoch deutlich stärker an den Veränderungen Europas als an den Veränderungen Italiens.
Da überrascht es nicht, dass die meisten populistischen italienischen Parteien die Seite gewechselt haben und jetzt den Euro (und den europäischen Wiederaufbaufonds) unterstützen. Jetzt, wo die Risikoaufschläge italienischer Anleihen steigen, könnte sich eine Kaufgelegenheit ergeben.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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