Wochenkommentar: Neue Allzeithochs im Technologiesektor

Nach einer ausgeprägten Rally haben die Aktienmärkte vergangene Woche wieder nachgegeben. Die Investoren waren im Hinblick auf die Wiedereröffnung großer Volkswirtschaften und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 in letzter Zeit zunehmend optimistisch geworden. Doch als vergangene Woche in Texas der höchste Anstieg an neuen Covid-19-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet wurde, führte die Angst vor einer zweiten Infektionswelle an den Märkten zu einer Eintrübung der Stimmung.
Bei der jüngsten Rally an den Aktienmärkten haben die Zentralbanken mit ihren massiven Programmen zur Unterstützung der Weltwirtschaft eine große Rolle gespielt. Jerome Powell, der Vorsitzende der US-Notenbank Fed, schlug vergangene Woche nach einer zweitägigen Sitzung sehr vorsichtige Töne an und prognostizierte, die Zinsen würden bis 2022 nahe Null bleiben. Wie gut Verbraucher und Unternehmen die Krise tatsächlich überstehen und ob es zu einer nachhaltigen konjunkturellen Erholung kommt, bleibt abzuwarten.
Auch in Europa wurden beispiellose Schritte eingeleitet, sowohl auf geldpolitischer als auch auf fiskalpolitischer Seite. Diese Maßnahmen sind mitverantwortlich dafür, dass sich Europas Aktienmärkte in den vergangenen Wochen besser entwickelt haben als die amerikanischen. Zyklische Sektoren wie Finanzen, Energie und Industrie haben sich gut entwickelt, während defensive Sektoren wie der nicht zyklische Konsum und der Gesundheitssektor hinterherhinkten. In Europa stehen weitere Unterstützungsmaßnahmen bevor, aber es wird sich zeigen, ob diese zyklische Rally noch weiteres Potenzial hat. Wir sind momentan keine Anhänger der Sektoren Finanzen und Versorger (untergewichtet), sondern favorisieren IT und Gesundheit (übergewichtet).
Unterdessen hat der amerikanische Technologiesektor wieder an Momentum gewonnen. Vergangene Woche wurde eine Reihe von Meilensteinen erreicht; zum Beispiel kletterte der Nasdaq über die Marke von 10.000 Punkten.
Anleihen: Fed bietet weiter Unterstützung
Die Geldpolitiker der Fed schlugen vergangene Woche vorsichtige Töne an und signalisierten, den immens expansiven Kurs auf absehbare Zeit beizubehalten. 15 von 17 Fed-Geldpolitikern gehen davon aus, dass die Zinsen für Übernachtkredite und die Fed Funds Rate bis 2022 in der Nähe der Null-Marke bleiben.
Außerdem führt die Fed ihre Anleihekaufprogramme mindestens im aktuellen Umfang fort – ein monatliches Kaufvolumen rund USD 80 Milliarden bei US-Staatsanleihen und von USD 40 Milliarden bei Agency MBS. Gleichzeitig ermutigte die Fed die US-Regierung, auch auf fiskalpolitischer Seite mehr zu unternehmen. Wenn die Fed US-Staatsanleihen kauft, dürfte die Finanzierung von zusätzlichen fiskalpolitischen Konjunkturprogrammen weniger problematisch sein.
Die Fed aktualisierte auch ihre Konjunkturprognosen. So rechnet sie jetzt bei der realen Entwicklung des US-BIP dieses Jahr mit einem Minus von 6,5 %, nächstes Jahr mit einem Plus von 5 % und 2022 mit einem Plus von 3,5 %. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die Fed bis 2022 keine Zinserhöhungen plant.
Allem Anschein nach stimmen die Zentralbanken in Japan, Europa und den USA in ihrer expansiven geldpolitischen Ausrichtung überein, was einem Abrutschen der Finanzmärkte entgegen steht. Für die Investoren bedeutet dies mehr Klarheit und mehr Sicherheit. So ist auch bei Liquiditäts- und Stressindikatoren eine weitere Normalisierung zu beobachten.
Auf die Asset-Allokation im Rentenportfolio übersetzt bedeutet dies, dass eine opportunistische Allokation mit einer Mischung aus Hochzins- und Schwellenmarktanleihen einen Mehrwert bringen könnte. Die niedrige Ausfallquote, die vor der Corona-Krise zu beobachten gewesen war, dürfte allerdings kaum erreicht werden, vor allem bei Hochzinsanleihen. Deshalb geben wir Schwellenmarktanleihen den Vorzug vor Hochzinstiteln.
Die Fed weitete ihre laufenden Programme auf mehr Emittenten aus. In den wieder stärker werdenden Märkten können Regierungen und Unternehmen mit guter Bonität ihre Liquiditätspuffer erhöhen und ihre Schulden mit längeren Laufzeiten refinanzieren, was das Bilanzrisiko senken kann. Das bedeutet: Das Refinanzierungsrisiko könnte sich auf Unternehmen mit hohem Ausfallrisiko (Distressed Debt) beschränken. Die großen Schwellenländer sind sogar in der Lage, ähnliche Kaufprogramme einzuführen wie die Industrieländer.
Dividenden unter Druck
Das Corona-Virus hat die Weltwirtschaft mit beispielloser Geschwindigkeit und Kraft in eine tiefe Rezession gestürzt. Die Erholung wird dauern, und ihr Verlauf ist immer noch unklar. Lockdowns haben in einigen Branchen die Gewinne schwer belastet. Dies geht so weit, dass inzwischen einige Unternehmen, teilweise sogar ermuntert durch die Regulierungsbehörden, ihre Gewinnausschüttungen (d. h. Dividenden) reduzieren, verschieben oder sogar vorübergehend streichen. In manchen Fällen sind auch staatliche Hilfen mit Auflagen verbunden, die Boni, Aktienrückkäufe oder Dividenden einschränken oder verbieten, insbesondere in zyklischen Sektoren wie Energie, Finanzen und Industrie. Dies alles hat zur Folge, dass Dividendeninvestoren momentan eine schwierige Phase erleben.
Die entscheidende Frage lautet: Was können Dividendeninvestoren erwarten? Mit Prognosen zum Umfang der Auswirkungen muss man natürlich vorsichtig sein, weil alles davon abhängt, wie lange der Lockdown anhält, wie schnell sich die Konjunktur erholt, und ob es eine zweite Infektionswelle gibt.
Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, den Umfang der Dividendenkürzungen dieses Jahr abzuschätzen. Eine nützliche Richtschnur für die Aktienmärkte im Allgemeinen ist der Dividenden-Futures-Markt, der auch von institutionellen Investoren wie Northern Trust als Indikator verwendet wird. Dieser Futures-Markt zeigt, wie die Marktteilnehmer die künftige Dividendenentwicklung einschätzen.
Momentan gehen diese Futures-Märkte für die USA mit Dividendenkürzungen von rund 20 % aus; in Europa werden 35 %, in Asien 10 bis 15 % weniger Dividenden erwartet. Auf Basis des MSCI World Index können wir für 2020 weltweit ein Minus von rund 24 % ableiten. Die Unternehmen selbst haben bislang Dividendenkürzungen von rund 13 % angekündigt. Nach Einschätzung der Futures-Märkte ist also mit weiteren Kürzungen zu rechnen.
Bei der regionalen Betrachtung fällt auf, dass in Europa offenbar mit höheren Dividendenkürzungen zu rechnen ist als in den USA und in Asien. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Dividendenrendite vor der Corona-Krise in Europa höher war als in den USA. Außerdem spielt die Zusammensetzung der Aktienindizes eine Rolle, die in Europa ganz anders aussieht als in den USA. Da in Europa die Sektoren Energie, Finanzen und Industrie, wo die stärksten Dividendenkürzungen zu erwarten sind, einen deutlich größeren Anteil ausmachen, sind auch die durchschnittlichen Auswirkungen auf Gesamtindexebene in Europa höher als in den USA oder in Asien...
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