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Wochenkommentar: Marktrotation im Gange

Wochenkommentar: US-Märkte steigen auf Vor-Corona-Niveau

Die US-Märkte waren am vergangenen Donnerstag wegen Thanksgiving geschlossen, und der S&P 500 stand knapp unter seinem Allzeithoch. Dieses Hoch wurde am 9. November erreicht, als Pfizer Erfolge bei der Impfstoffentwicklung gegen Covid-19 vermeldete. Neben Pfizer hatten auch Moderna und Oxford/AstraZeneca positive Impfstoffergebnisse vorzuweisen, was die Märkte beflügelte.

Wir dürfen zwar nicht vergessen, dass viele Menschen nach wie vor Angehörige verlieren oder selbst unter gesundheitlichen Problemen leiden, aber der Aktienmarkt blickt inzwischen schon über die Covid-19-Krise hinaus. Die Investoren positionieren ihre Portfolios für die Zeit nach Corona. Wir sehen drei Rotationen. 

Erstens sind die Goldpreise von einem Hoch bei USD 2.075 im August auf rund USD 1.800 gefallen, nachdem es am 9. November und am 23./24. November drastische Kursverluste gegeben hatte. Da es keinen erkennbaren realen Anstieg der Zinsen oder eine nennenswerte Abwertung des US-Dollars gegeben hat, gehen wir davon aus, dass Investoren aus ihren Gold-Investments ausgestiegen sind und stattdessen ihre Risikopositionen mit Anlageklassen wie Aktien erhöht haben.

Zweitens gibt es eine Verlagerung von den „Corona-Gewinnern“, das heißt Aktien, die sich während der Corona-Lockdowns gut entwickelten, auf die „Corona-Verlierer“. In unseren Augen ist davon auszugehen, dass nach der Corona-Krise die Aktien, die während der Pandemie gefallen sind (die „Verlierer“) sich relativ betrachtet besser entwickeln, wenn sie sich vom schwachen geschäftlichen Umfeld erholen. 

Energie und Finanzen waren 2020 am schwächsten, bis am 9. November die Nachricht von einem wirksamen Impfstoff bekannt wurde. Diese Sektoren haben sich seitdem am stärksten erholt. Wir halten dies für eine Erleichterungsrally. Sie könnte recht kurzlebig sein. Es könnte länger dauern, bis sich die Freizeitindustrie (Luftfahrt, Kreuzfahrten, Urlaubsausgaben) erholt, und es könnte sein, dass sich die Investoren neu positionieren, indem sie bei Aktien, die während der Corona-Krise gestiegen sind, Gewinne mitnehmen und die Erlöse in Aktien investieren, die während der Krise gefallen sind. Das bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, Gewinner wie der IT-Sektor seien nicht mehr gefragt, aber wir glauben, dass ihre relative Performance in der Erholungsphase schwächer ausfällt.

Drittens rechnen wir mit einer Verschiebung von Wachstumsaktien zu Value-Aktien. Dies hat weniger mit dem Corona-Virus zu tun als mit dem realen Zinsniveau. Wachstumsaktien können als Aktien betrachtet werden, die stärker mit den realen langfristigen Zinsen korrelieren, die unserer Einschätzung nach niedrig bleiben dürften. Die Kurse von Value-Aktien orientieren sich hingegen stärker am aktuellen Cashflow und hängen weniger von den langfristigen Zinsen ab. Da die Gewinne im Zuge der konjunkturellen Erholung auf kurze Sicht steigen dürften, ist davon auszugehen, dass sich Value-Aktien kurzfristig relativ betrachtet besser entwickeln. Wie Einzelinvestoren diese drei Rotationen beurteilen, wird bestimmen, wie sie ihre Portfolios strukturieren.

Anleihen: Unterstützung der Fed lässt nach, verschwindet aber nicht 

Zehnjährigen US-Treasuries (mit einer Rendite von rund 0,88 %) bewegen sich weiterhin am oberen Ende der aktuellen Handelsspanne von 0,50 % bis 0,96 %. Die Markteinführung von wirksamen Impfstoffen dürfte die konjunkturelle Entwicklung 2021 unterstützen und dazu führen, dass die Marktkräfte die Renditen irgendwann steigen lassen – aber jetzt noch nicht.

Die Entscheidung der US-Fed, der Aufforderung des US-Finanzministeriums nachzukommen und nicht genutzte CARES-Act-Mittel zurückzugeben, unterstreicht ein wachsendes Spannungsfeld für Credit-Investoren: beständig positive Nachrichten zu Impfstoffen auf der einen Seite und eine schwindende fiskalpolitische Unterstützung auf der anderen. Trotzdem könnte die Schwächung der Fed-Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz das Risiko langfristig erhöhen, weil die Notenbank ihre Handlungsfähigkeit einschränkt. So wächst auch der geldpolitische Abstand zwischen der Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB).

Und auch bei der konjunkturellen Entwicklung gibt es eine Diskrepanz. Die Wirtschaftsdaten zeigen, dass sich Europa deutlich schlechter entwickelt hat, was an den strengen wirtschaftlichen Einschränkungen liegt, die (bis Jahresende) verhängt wurden, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. In den USA waren die Beschränkungen deutlich geringer und variierten je nach Stadt und Region, was insgesamt zu einer geringeren Beeinträchtigung der Gesamtwirtschaft geführt hat.

Die Renditen auf US-Unternehmensanleihen, sowohl im Investment-Grade- als auch im Hochzinssegment, sind 2020 drastisch gefallen, ebenso wie die Renditen auf europäische Unternehmensanleihen und sogar auf Schwellenmarktanleihen. Vor dem Hintergrund unserer Einschätzung, dass die US-Treasury-Renditen ihren Boden erreicht haben und sich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten vermutlich eher seitwärts entwickeln dürften, ist es schwer, weitere Renditerückgänge bei US-Unternehmensanleihen zu erwarten, denn diese Renditen liegen bereits auf Rekordtiefständen. Trotzdem sehen wir Wertpotenzial am längeren Ende der Renditekurve auf US-Treasuries.

Wachstumsperspektiven und Marktliquidität haben sich in den vergangenen Monaten auf globaler Ebene erheblich verbessert. Der Markt für US-Unternehmensanleihen kann auch ohne Unterstützung der Fed funktionieren und vermutlich sogar aufblühen. In Europa, wo wir davon ausgehen, dass die EZB bei der letzten Sitzung der Notenbank in diesem Jahr (im Dezember) eine weitere Ausweitung ihres Anleihekaufprogramms ankündigt, ist das anders. Dies könnte eine weitere Unterstützung für europäische Investmentgrade-Unternehmensanleihen gegenüber US-Unternehmensanleihen bewirken.


Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.


Foto: ImageFlow / Shutterstock.com