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Wochenkommentar: Holidays are Coming

Wochenkommentar: Märkte im Bann der Zinsen

Die meisten Regierungen und Notenbanken haben seit Beginn der Pandemie 2020 große Unterstützungsprogramme aufgelegt, die zu der beeindruckenden Aktienrally der vergangenen zwei Jahre beigetragen haben. Der breite Markt verabschiedet sich aber zunehmend von dieser Rally, was dazu führt, dass immer weniger Aktien noch Kurssteigerungen verzeichnen können. Daher stellt sich die Frage, ob die aktuelle Nervosität Vorboten einer gefährlicheren Verschlechterung in den gesünderen Segmenten der Aktienmärkte sind.

Auslöser der jüngsten Verkäufe war ein deutlicher Renditeanstieg bei 10-jährigen US-Staatsanleihen (Treasuries). Vor allem, da die Fed noch restriktiver geworden ist und die Märkte darauf vorbereitet, noch vor dem Sommer 2022 die Zinsen zu erhöhen. Auch wir rechnen inzwischen mit früheren Zinserhöhungen. Insgesamt gehen wir für 2022 inzwischen von vier Zinsschritten aus (statt wie bisher von nur drei) und erwarten 2023 drei weitere Zinserhöhungen. Bei der Rendite auf 10-jährige Treasuries bleiben wir bei unserer bisherigen Prognose: 2,3 % Ende des zweiten Quartals 2022 und 2,6 % Ende des Jahres. Damit liegen wir leicht über den Konsensschätzungen. 

Ob diese höheren Zinsen ein Risiko für Aktien darstellen, bleibt abzuwarten. Die aktuellen Marktentwicklungen lassen sich wohl immer noch am besten als Rotation weg von den Sektoren mit der größten Zinsabhängigkeit interpretieren, was zu einer Allokationsverschiebung von Growth-Aktien zu Value-Titeln führt. Als Value-Aktien bezeichnet man hierbei Unternehmen welche ein bewährtes Geschäftsmodell nutzen und deren Aktie unter Wert gehandelt wird. Growth-Aktien hingegen zeichnen sich durch ein hohes Umsatzwachstum aus und operieren häufig in innovationsreichen Geschäftsfeldern.

Das Tempo, in dem die Fed die Zinsen erhöhen wird, wird maßgeblich von der Inflationsentwicklung abhängig sein. Vergangene Woche zeigten die amerikanischen Inflationsdaten, dass die Verbraucherpreise vergangenes Jahr so stark gestiegen sind wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Dies könnte bedeuten, dass eine steigende Inflation die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Zinserhöhungen eher früher als später beginnen, was wiederum eine Motivation für den aktuellen Wechsel zu Value-Aktien darstellen würde. Die jetzt beginnende Berichtssaison wird mehr Aufschluss darüber geben.

Anleihen: Zentralbankpolitik wird restriktiver

Nach der Veröffentlichung des jüngsten Fed-Sitzungsprotokolls, in dem die amerikanischen Geldpolitiker einen restriktiven Ton anschlugen, scheint eine erste Zinserhöhung im März beschlossene Sache zu sein. Jetzt wird zunehmend darüber diskutiert, wann und in welchem Umfang die Fed ihre Bilanz verkürzt. Dieses Thema sprachen einige Fed-Vertreter bereits Ende des vergangenen Monats an. Die Debatte hat dazu geführt, dass die realen (d.h. inflationsbereinigten) Zinsen in den USA seit Jahresbeginn um mehr als 30 Basispunkte gestiegen sind. Der restriktive Ton blieb auch in den Schwellenländern nicht ohne Folgen, wo die Kassakurse von Anleihen mit langer Laufzeit darunter gelitten haben, vor allem unter der Volatilität bei US-Staatsanleihen. Momentan scheinen die Marktteilnehmer das Ausmaß der geplanten geldpolitischen Verknappung der Fed zu unterschätzen. Es ist davon auszugehen, dass die Verkürzung der Fed-Bilanz nach der ersten oder zweiten Zinserhöhung dieses Jahr beginnt.

Sie dürfte die reale Zinsentwicklung und somit auch die Kurse von risikobehafteten Anlagen belasten. Die Geschichte zeigt, dass eine geldpolitische Verknappung in Verbindung mit einer Verkürzung der Zentralbankbilanz, was wir auch im vierten Quartal 2018 erlebt haben, auch heute zu Nervosität unter den Anlegerinnen und Anlegern führen kann. Die technischen Indikatoren erscheinen vorerst sehr hoch, wenngleich dies für die Renditen auf deutsche Staatsanleihen stärker gilt als für amerikanische. In der Folge dürften die Benchmark-Renditen im Allgemeinen eine Konsolidierung verzeichnen, bevor sie erneut die Hochs dieses Jahres testen.

In der Eurozone stieg der Renditeabstand zwischen 10-jährigen italienischen und deutschen Staatsanleihen seit dem Ende des dritten Quartals 2021 um mehr als 30 Basispunkte. Aktuell liegt der Spread (Risikoaufschlag) bei rund 130 Basispunkten, und dürfte auch auf diesem hohen Niveau bleiben.

Am 24. Januar leitet das Abgeordnetenhaus in Italien das Wahlverfahren für die Nachfolge von Präsident Sergio Matarella ein: Dabei wird in mehreren Durchgängen geheim gewählt, bis ein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhält. Mario Draghi hat offenbar Interesse signalisiert, was zu neuen Wahlsorgen führen könnte. Aber da es im Hinblick auf die Kandidaten noch keine Klarheit gibt, werden die Spreads weiterhin von Spekulationen getrieben werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die Volatilität bei Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer vor dem Hintergrund der restriktiveren Haltung der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Beginn einer restriktiveren Geldpolitik seitens der Fed hoch bleibt. Die Ende dieses Monats stattfindenden Wahlen in Portugal dürften an den europäischen Anleihemärkten keine großen Wellen schlagen. Der Markt für Unternehmensanleihen bleibt lebhaft: Neuemissionen gewinnen an Dynamik und bieten attraktive Konditionen.

 

Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.

 

Foto: Kurt Kleemann / Shutterstock.com