
Wochenkommentar: Kein Einfluss der US-Zwischenwahlen
Den US-Republikanern ist ihre „rote Welle“ bei den Zwischenwahlen misslungen. Die Märkte haben Ende der Woche noch nicht reagiert – vielleicht weil die Auszählung noch läuft. Bislang sieht es danach aus, dass die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen, während das Rennen um die Senatsmehrheit über das Wochenende hinweg zugunsten der Demokraten entschieden wurde. Unterdessen konzentrieren sich die Märkte auf andere Faktoren, wie Inflation, Geldpolitik und Unternehmensgewinne.
Die Inflation ist in den USA im Oktober stärker als erwartet zurückgegangen und liegt jetzt bei 7,7 %. Der restriktive Grundton der Notenbanker hat uns dazu veranlasst, unsere Prognosen für die Entwicklung der Leitzinsen bei Fed und EZB anzuheben. Was die Berichtssaison betrifft, bleiben die Unternehmensgewinne in den USA mit einem Überraschungsfaktor von 70 % über den Erwartungen der Analysten. Die Höhe des Gewinnwachstums lässt mit 3,8 % im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal jedoch nach.
Zwischen den einzelnen Sektoren gibt es große Unterschiede: Während die Gewinne im Energiesektor um mehr als 100 % gestiegen sind, haben sie bei Kommunikationsdienstleistungen um 21 % nachgelassen. In der Folge waren die US-Aktienmärkte im dritten Quartal recht volatil. In Europa fällt das Gewinnwachstum mit einem Plus von 14,4 % deutlich stärker aus, was sich an den Aktienmärkten positiv bemerkbar macht.
Anleihen: die Welt hat sich verändert
TINA – „There is No Alternative“ – war in den vergangenen Jahren das Leitmotiv der Portfoliosteuerung; auf der Suche nach einer positiven Wertentwicklung waren Anleihen mit ihren niedrigen Renditen keine Option, und an Aktien führte kein Weg vorbei. Das hat sich inzwischen geändert.
Nach den hohen Inflationsraten und der darauf folgenden restriktiven Geldpolitik der Notenbanken gehört TINA der Vergangenheit an. Die Rendite auf Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating liegt inzwischen über der Dividendenrendite von Aktien. Und hochwertige Anleihen mit kurzer Laufzeit bieten eine deutlich bessere Verzinsung als Liquidität. Die Welt hat sich verändert, und Anleihen haben wieder einen Platz in Anlageportfolios verdient.
Höhere Renditen locken viele Privatanleger zurecht zurück an die Anleihemärkte. Privatanleger, die im festverzinslichen Bereich einige Jahre lang nicht aktiv waren, werden allerdings feststellen, dass auch der Anleihemarkt sich verändert hat. Europäische Regulierungsvorschriften, die Anleger schützen sollen, machen es Emittenten und Finanzmärkten deutlich schwerer, Anleihen an Privatanleger zu verkaufen. Die meisten Staatsanleihen und Anleihen halbstaatlicher Emittenten stehen Privatanlegern nach wie vor als Direktinvestments zur Verfügung, bei den meisten Unternehmensanleihen ist das aber nicht mehr der Fall – selbst bei Titeln mit Investment-Grade-Rating.
Dies führt dazu, dass Privatanleger, die ein diversifiziertes Anleiheportfolio aufbauen wollen, in Fonds investieren müssen – zumindest, was Unternehmensanleihen betrifft. Manche mögen das enttäuschend finden, dafür gibt es aber eigentlich keinen Grund.
Viele Privatanleger, die direkt in Anleihen investieren, halten maximal 10 bis 20 unterschiedliche Titel, und das ist für ein Anleiheportfolio in unseren Augen keine ausreichende Diversifizierung. Hier müssen sich Anleger entweder auf die besten Ratingnoten beschränken (AAA und AA) oder ein unverhältnismäßig hohes Risiko akzeptieren. Doch wer nur in die obersten Ratingstufen investiert, lässt sich die attraktiven Risikoprämien von weniger hochwertigen Anleihen entgehen. Umgekehrt steigt das Risiko von Zahlungsausfällen, wenn nur niedrigere Ratingstufen im Portfolio liegen, und das kann die Wertentwicklung massiv beschädigen.
Fonds umfassen hingegen eine große Anzahl verschiedener Anleihen, sind über Laufzeiten und Sektoren hinweg deutlich besser diversifiziert und profitieren zusätzlich von Risikoprämien der Anleihen mit schlechteren Ratings, ohne ein überproportional hohes Risiko eingehen zu müssen.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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