
Wochenkommentar: Kapitalmärkte weiter auf Kurs
Die Aufmerksamkeit der Anleger richtete sich diese Woche auf die Zinsentscheidung der US-Notenbank. Die Erwartungen hinsichtlich der bevorstehenden geldpolitischen Lockerung und der allgemeinen Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Finanzlage, insbesondere in den USA, waren dabei hoch.
Vor diesem Hintergrund zeigten sich die Aktienmärkte angesichts eines weltweit positiven Marktumfelds und einer gewissen Toleranz gegenüber möglichen Unsicherheiten relativ stabil. Gleichzeitig erreichte der Goldpreis neue Rekordhöhen, wobei der schwächelnde US-Dollar dabei unterstützte.
Seit Ende letzter Woche haben Kommunikationsdienstleister, zyklische Konsumgüter und Energieaktien insgesamt eine überdurchschnittliche Wertentwicklung erzielt. Dagegen haben sich die Sektoren Versorger, Grundstoffe, Immobilien und das Gesundheitswesen weltweit etwas schwächer entwickelt. In diesem Zusammenhang gab es keine nennenswerten Unterschiede in der Wertentwicklung zwischen den Regionen.
Obwohl aktuell relativ wenig Unternehmensergebnisse veröffentlicht werden, gab es bei einigen großen Unternehmen einige bemerkenswerte Entwicklungen. Dazu gehört die anhaltend positive Stimmung rund um Alphabet. Im September gab es einen starken Anstieg von über 15 Prozent, nachdem die Regulierungsbehörde die Abspaltung des Chrome-Browsers für nicht notwendig befand. Interessant ist auch, dass Alphabet nun die Marke von 3 Billionen US-Dollar an Marktkapitalisierung überschritten hat.
Führungswechsel prägen weiterhin den Lebensmittelkonzern Nestlé. Nach dem jüngsten Wechsel des CEO hat das Unternehmen die vorzeitige Ernennung eines neuen Verwaltungsratspräsidenten bekannt gegeben, die eine Phase bedeutender Umstrukturierungen in der Unternehmensführung unterstreicht.
Nach der Vorstellung eines groß angelegten, neuen Vergütungsplans, der noch der Zustimmung der Aktionäre bedarf, erhielt die Tesla-Aktie diese Woche einen Schub durch die Bekanntgabe von zusätzlichen Aktienkäufen durch CEO Elon Musk im Wert von insgesamt rund 1 Milliarde USD. Dieser Schritt wurde als starkes Signal für das Engagement des Unternehmenschefs interpretiert.
In dieser Woche gehörten Seagate Technology (Computerhardware und Speicher), Estee Lauder (Kosmetik) und Tesla (Automobil und saubere Energie) zu den Unternehmen mit der besten Wertentwicklung in den USA, während Insulet (medizinische Geräte), Warner Bros (Medien) und Norwegian Cruise Line (Reisen) hinter den Erwartungen zurückblieben. In Europa ragten Puma (Sportartikel), Kering (Luxusgüter), ThyssenKrupp (Industrie) und ASML (Halbleiterfertigungsanlagen) mit einem überdurchschnittlichen Kurswachstum heraus. Die Commerzbank (Finanzwesen), DSM-Firmenich (Inhaltsstoffe und Aromen) und Vopak (Energiespeicherung) verzeichneten hingegen die stärksten Kursrückgänge.
Anleihen: Fed senkt den Leitzins
Die Entscheidung der US-Notenbank, den Leitzins diese Woche um 25 Basispunkte (BP) zu senken, markiert einen klaren Wendepunkt in der Geldpolitik der Fed. Es ist die erste Zinssenkung seit Jahrzehnten, die mit einer Inflationsrate von über 3 Prozent einhergeht. Dies signalisiert eine deutliche Abkehr von dem bisherigen restriktiven Kurs der Fed. Obwohl dieser Schritt erwartet wurde, preisen die Märkte bereits zwei weitere Zinssenkungen für das Jahr 2025 ein, was die wachsenden Erwartungen einer Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen widerspiegelt. Trotz des aktuellen Optimismus bleibt das Umfeld komplex und wird auch von Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Fed, politischem Druck und sich verändernden Vermögensallokationen geprägt.
Die Senkung um 25 Basispunkte, die auch als geldpolitische „Neukalibrierung” bezeichnet werden kann, unterstreicht die Sorgen über einen sich abschwächenden Arbeitsmarkt, da die jüngsten Daten auf ein verlangsamtes Beschäftigungswachstum hindeuten. Der Offenmarktausschuss der Fed ist jedoch weiterhin gespalten und konzentriert sich zum einen auf die Arbeitslosigkeit, die ein Teil seines doppelten Mandats ist, und die Inflation, die das andere Element darstellt. Die restriktiver votierenden Ausschussmitglieder räumen dabei den Inflationsrisiken weiterhin Vorrang ein, während die eher expansiv eingestellten Mitglieder die wirtschaftlichen Schwachstellen betonen.
Die Fed nahm auch eine subtile, aber wichtige Änderung an ihrer politischen Sprache vor, wobei der Vorsitzende Jerome Powell die Zinsänderung als „unter Berücksichtigung weiterer Anpassungen des neutralen Zinssatzes” bezeichnete – ein Signal dafür, dass weitere Änderungen des Leitzinses weiterhin in Betracht gezogen werden.
Während Zentralbankchef Powell davon absah, einen klaren Kurs der Lockerung zu signalisieren, drückte die Begeisterung der Wall Street über Zinssenkungen die kurzfristigen Renditen von Anleihen nach unten. Interessanterweise stiegen gleichzeitig die langfristigen Zinsen, was zu einer steileren Zinsstrukturkurve führte und auf strukturelle Bedenken hinsichtlich längerfristiger wirtschaftlicher Risiken hindeutet. Investoren wenden sich aktuell tendenziell von langfristigen Staatsanleihen ab und investieren verstärkt in sichere Anlagen wie Gold, dessen Nachfrage erneut gestiegen ist.
Die Unabhängigkeit der Fed steht angesichts politischer und rechtlicher Herausforderungen weiterhin auf dem Prüfstand. Eine kürzlich ergangene Gerichtsentscheidung ermöglichte es Fed-Gouverneurin Lisa Cook, ihr Amt weiter auszuüben – trotz der Bestrebungen von Donald Trump, sie zu entlassen. Die Bestätigung von Trumps Verbündetem, Stephen Miran, durch den Senat hat jedoch den Offenmarktausschuss (FOMC) weiter in Richtung einer expansiveren Geldpolitik gebracht und Unsicherheit hinsichtlich einer langfristigen Unabhängigkeit der Fed befeuert.
Sollte sich der Eindruck einer kompromittierten Fed verfestigen, könnte dies einen Richtungswechsel für die Märkte bedeuten. Der Vertrauensverlust in die Unabhängigkeit der Fed spiegelt sich bereits in den Trends der Vermögensallokation wider, da Anleger zunehmend von US-Staatsanleihen zu Gold als Absicherung gegen Unsicherheiten wechseln.
Redaktionsschluss: donnerstags 15 Uhr