
Wochenkommentar: Inflationsdaten lasten auf den Märkten
Nach der Zinserhöhung um 75 Basispunkte durch die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag der Vorwoche war die Stimmung an den weltweiten Aktienmärkten einige Tage lang positiv. Europäische Finanztitel und zyklische Aktien starteten mit Kursgewinnen in die vergangene Woche, während die Gaspreise in Europa fielen und das ukrainische Militär die russischen Angreifer zurückdrängte. Diese Faktoren lockten vorübergehend einige Investoren zurück in risikobehaftete Anlagen. Doch die Inflationsdaten sorgten vergangene Woche dann für einen Wendepunkt in der Marktentwicklung.
Nach Bekanntgabe der US-Inflationsdaten für August stellte sich die Vorstellung, der Inflationshöhepunkt könnte bereits hinter uns liegen, als Illusion heraus. Die Verbraucherpreise stiegen gegenüber dem Vorjahr um 8,3 % (die Erwartung hatte bei 8,1 % gelegen) und lösten an den US-Aktienmärkten eine Verkaufswelle aus. Wachstums- und Technologieaktien traf es am stärksten. Dies hat damit zu tun, dass aggressivere Zinserhöhungen und höhere Zinsen wahrscheinlicher geworden sind. Andere Regionen folgten der negativen Reaktion der US-Märkte, wenngleich die europäischen Märkte, vor allem aufgrund des europäischen Finanzsektors, besser standhielten als andere Industrieländer. Nach der Zinserhöhung durch die EZB profitierten europäische Finanzwerte von der Aussicht auf ein besseres Zinsumfeld. Aktien von Unternehmen des zyklischen Konsums verzeichneten aufgrund der negativen Auswirkungen der anhaltenden Inflation auf die Konsumausgaben einige schwierige Tage. Vor allem die Aktien von US-Unternehmen fielen nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten.
Anleihen: Wunsch und Wirklichkeit
Bei der kommenden Sitzung der amerikanischen Zentralbank ist eine weitere Zinserhöhung um 75 Basispunkte zu erwarten. Der Markt hatte bereits seit einiger Zeit gehofft, dass das Tempo der Zinserhöhungen durch die US-Fed nachlässt. Doch nach restriktiven Aussagen von Fed-Vertretern nach Veröffentlichung der Inflationsdaten ist davon keine Rede mehr. Die Teuerung fiel trotz deutlich gefallener Energiepreise und einer nachlassenden Inflation bei den Lebensmittelpreisen höher aus als erwartet.
Die Hoffnungen wurden an die Realität angepasst, und die Inversion der Renditekurve hat sich im Laufzeitbereich zwischen zwei und zehn Jahren weiter verstärkt. Da die Inflation weltweit auf einem extremen Niveau bleibt, müssen wir davon ausgehen, dass die Notenbanken ihren Kurs der geldpolitischen Verknappung vorerst fortsetzen. Dadurch werden die Renditen und die Kurse von Anleihen auf kurze Sicht volatil bleiben.
Alles in allem sind die Wirtschaftsdaten der Industrieländer nicht so schlecht wie befürchtet. Die Indizes für Konjunkturüberraschungen haben sich zum Beispiel in den vergangenen sechs Wochen deutlich erholt. Die Investoren werden auf die Ende der Woche anstehende neue Runde von Einkaufsmanagerindizes schauen, um Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft zu erhalten.
Die Kombination aus hohen Risikoaufschlägen und der Hoffnung, dass sich eine (tiefe) Rezession abwenden lassen möge, führte in den vergangenen Monaten zu vorübergehenden Rallys bei Unternehmensanleihen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass diese Rallys von Dauer sind. Daher bleiben wir konservativ positioniert, vor allem bei Hochzinsunternehmensanleihen. Hier haben wir eine Untergewichtung. Unserer Einschätzung nach fangen die Risikoaufschläge gerade erst an, das Risiko einer milden Rezession einzupreisen; hier ist im Winter eine weitere Preisanpassung zu erwarten, wenn die Realität einer Rezession in der Eurozone bei allen ankommt. Je nachdem, wie sich die Energiekrise weiter entwickelt, besteht sogar das Risiko einer schweren Rezession.
Da die Energieversorgung in den USA kein Problem darstellt, halten wir es für angemessen, dass der US-Hochzinsmarkt geringere Risikoaufschläge als der europäische verzeichnet. Dennoch sind wir auch bei US-Hochzinsanleihen vorsichtig und meiden Titel mit der niedrigsten Bonität. Obwohl die Renditeaufschläge (Spreads) deutlich höher sind als im vergangenen Jahr, liegen sie immer noch in der Nähe der langfristigen Durchschnittswerte. Vor dem Hintergrund einer unsicheren Inflationsentwicklung, einer anhaltenden geldpolitischen Verknappung durch die Fed und der Möglichkeit einer Rezession, ist das aber nicht sonderlich attraktiv.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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