
Wochenkommentar: Inflation bleibt im Fokus
Alles in allem haben sich die Aktienmärkte in der vergangenen Woche weitgehend positiv entwickelt. Die Ölpreise sind aufgrund von Rezessionssorgen etwas gefallen. Die Zinsen sind sowohl in Europa als auch in den USA ebenfalls leicht zurückgegangen. Das Verbrauchervertrauen und die Aktivität der Unternehmen (gemessen an den Einkaufsmanagerindizes) sind in der Eurozone weiter gefallen als erwartet.
In den USA konnte der S&P 500 Index eine überdurchschnittliche Wertentwicklung von 6,4 % verzeichnen, während der europäische Stoxx Europe 600 Index lediglich ein Plus von 2,4 % erzielte. Schwellenländer verzeichneten eine negative Wertentwicklung. Auf Sektorebene ist zu beobachten, dass sich der Gesundheitsbereich im Vergleich zu anderen Sektoren weiterhin gut entwickelt. Das Gewinnwachstum der Healthcare-Unternehmen wird zum Teil durch Patente geschützt, was sich positiv auf den Sektor auswirkt. Der Gesundheitssektor profitiert darüber hinaus von einer stabilen Nachfrage und ist deutlich weniger konjunkturabhängig als manche andere Sektoren. Der IT-Sektor hat sich in der vergangenen Woche von den hohen Kursverlusten seit Anfang des Jahres etwas erholt, während Industrie und Versorger unterdurchschnittlich abschnitten.
Fed-Chef Jerome Powell sagte vor dem Bankenausschuss des US-Senats, es sei sehr wichtig, die Preisniveaustabilität wiederherzustellen und die Inflationsrate wieder auf 2 % zu senken. Dabei erwähnte er auch, dass es sehr schwierig werden könnte, dafür zu sorgen, dass die Konjunktur eine sanfte Landung schafft, anstatt in eine Rezession abzurutschen. Er betonte aber – wie erwähnt – die Bedeutung des Fed-Mandats, für Preisniveaustabilität zu sorgen. Dass die US-Notenbank diesem Ziel Priorität gegenüber Wirtschaftswachstum einräumt, ist für die Aktienmärkte eine große Herausforderung. Normalerweise schreitet die Fed ein, wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt, aber diesmal ist sie dazu weniger bereit.
Anleihen: Geldpolitische Verengung
Negative Anleihezinsen (Renditen) gehören inzwischen weitgehend der Vergangenheit an. Viele Pensionsfonds planen bereits eine Anpassung ihrer Leistungen an die Inflation, weil sie jetzt in der Lage sind, sich auf lange Sicht eine deutlich bessere Anlagerendite zu sichern. Die meisten Investoren haben jedoch einen deutlich geringeren Anlagehorizont, und für sie könnte es sich lohnen, einen Teil ihres investierbaren Vermögens vorerst noch zurückzuhalten. Die Faktoren, die die Zinsen wieder in den positiven Bereich haben steigen lassen, sind noch nicht passé.
An den globalen Anleihemärkten haben Wachstumssorgen die Inflationsangst als Treiber für das Handeln nervöser Investoren abgelöst – jetzt, wo die Zentralbanken fest entschlossen sind, die aktuell aus dem Ruder gelaufene Inflation so schnell wie möglich wieder auf 2 % zurückzubringen. Die langfristigen Inflationserwartungen sind wieder gefallen, denn die Investoren gehen davon aus, dass es den Zentralbanken gelingt, in Europa in drei Jahren und in den USA in fünf Jahren die Inflation wieder auf das Zielniveau zu senken. Es wird davon ausgegangen, dass die Notenbanken ihre Leitzinsen drastisch erhöhen, um dieses Ziel zu erreichen.
Jetzt, wo die Inflationserwartungen wieder zurückgegangen sind, spiegelt sich der nominale Anstieg der Renditen dieses Jahr vollständig in einem drastischen realen Zinsanstieg, der sowohl in Europa als auch in den USA rund 1,5 % beträgt. Unterdessen sind die Renditekurven flacher geworden, in den USA stärker als in Europa, weil davon ausgegangen wird, dass den Volkswirtschaften im nächsten Jahr eine Rezession drohen könnte.
Da die Zentralbanken sich auf das Bekämpfen der Inflation fokussieren, werden Maßnahmen zur Unterstützung einer abschwächenden Konjunktur erst möglich sein, wenn sich die Inflation wieder normalisiert hat. Die Teuerung dürfte dabei nicht vor September ihren Höhepunkt erreichen, dann könnte sie in den USA sogar im zweistelligen Prozentbereich liegen und in Europa immerhin über 8 % betragen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Zinsen zuerst steigen werden, worauf die Rendite auf 10-jährige Bundesanleihen über die Marke von 2 % steigen dürfte. Wenn die Zentralbanken dann in der Lage sind, sich wieder dem fehlenden Wachstum zu widmen, könnten die Zinsen von deutlich höheren Ständen wieder fallen. Für Anleiheinvestoren sind das ideale Rahmenbedingungen, denn dann kommen in ihren Portfolios hohe Anfangsrenditen (Anleihezinsen) und steigende Anleihekurse zusammen.
Bevor es so weit ist, könnten Anleiheinvestoren aber noch mit weiteren Verlusten rechnen müssen. Die Geldpolitik lässt die Renditen auf sichere Staatsanleihen steigen und riskiert dafür eine Rezession, was für die Risikoprämie riskanterer Anleihen keine guten Nachrichten sind. Taktisch kurzfristig agierende Investoren könnten daher in Erwägung ziehen, zunächst ihre Anleihepositionen zu verringern. Sie sollten aber nicht vergessen, rechtzeitig wieder einzusteigen, sollten die Kurse wieder steigen.
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