
Wochenkommentar: Indizes auf dem Weg zu alter Stärke?
Die Aktienmärkte konnten nach den Kursverlusten infolge des Ukraine Krieges in den vergangenen zwei Wochen eine Erleichterungsrally verzeichnen. Dies betraf sowohl die europäischen wie auch die US-Aktienmärkte. Der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex verzeichnete den stärksten monatlichen Rückgang aller Zeiten.
Sowohl der S&P 500 Index als auch der STOXX Europe 600 Index konnten seit Mitte März eine positive Wertentwicklung von rund 10 % verzeichnen. Der US-Index liegt nur noch 4 % von seinem Spitzenwert entfernt, der europäische Index liegt 7 % unter seinem Allzeithoch. Dies deutet auf eine bemerkenswerte Resilienz der Märkte hin – angesichts eines Kriegs in Europa, einer hohen Inflation, die sich nicht nur auf Energie beschränkt und weiter anhalten dürfte, und eines Umfelds, in dem keine geldpolitische Unterstützung mehr zu erwarten ist, sondern im Gegenteil Zinserhöhungen bevorstehen.
Es ist noch nicht allzu lange her, da war davon auszugehen, dass die Störungen in den Lieferketten schnell behoben und die Inflation nur ein vorübergehendes Phänomen sein würden. Nach Russlands Invasion in der Ukraine ist dieses Szenario jedoch Makulatur. Die Energiepreise dürften hoch bleiben, da Europa noch auf der Suche nach alternativen Beschaffungsquellen für Erdgas ist. Generell ist davon auszugehen, dass die meisten Rohstoffe vorerst teuer bleiben. Auch die Problematiken in den Lieferketten werden bleiben, und sich durch den Krieg in der Ukraine teilweise weiter verschärfen.
Fraglich ist, wie sich die Unternehmensgewinne unter diesen Bedingungen entwickeln. Glaubt man dem Aktienmarkt, gibt es keinen Grund zur Panik. Trotzdem müssen die Unternehmen mit der neuen Situation zurechtkommen. Die im Gegensatz zu den Verbraucherpreisen schneller steigenden Produzentenpreise könnten Druck auf die Margen ausüben. Durch niedrigere Lohnstückkosten ließe sich dieser Effekt kompensieren, für niedrigere Löhne gibt es derzeit jedoch nur eine sehr schwache Verhandlungsposition seitens der Arbeitgeber auf Grund des angespannten Arbeitsmarktes.
In Tarifverhandlungen werden die Gewerkschaften mit der hohen Inflation argumentieren. All dies dürfte die Margen der Unternehmen auf kurze Sicht unter Druck setzen, was in den Bewertungen am Markt noch nicht vollständig eingepreist zu sein scheint. Anleger sollten dieses Risiko im Auge behalten und den Markt nicht zu optimistisch einschätzen.
Anleihen: Überrascht von der Erholung
Von Anfang Februar, als ein Einmarsch Russlands in die Ukraine immer wahrscheinlicher wurde, bis zum 24. Februar, als er dann tatsächlich begann, war ein für solche Situationen typisches Verhalten der Investoren zu beobachten: Vergleichsweise sichere Anlagen, wie Staatsanleihen, stiegen im Preis, darunter auch Staatsanleihen der Länder am Rand der Eurozone, wie Spanien und Italien. Dies währte jedoch nicht lange. Seitdem scheinen die Investoren eine höhere Inflation einzupreisen. Als Ursache gelten Angebotsengpässe an den Rohstoffmärkten, die eine Belastung für die europäische Wirtschaft darstellen und die Anleiherenditen steigen lassen werden.
Bei vergleichsweise riskanteren Rentenpapieren war eine genau gegenläufige Bewegung zu beobachten. Von den Tagen vor der Invasion bis zur ersten März-Woche sind die Risikoaufschläge sowohl bei Schwellenmarktanleihen als auch bei Hochzinsanleihen gestiegen. Doch als der Markt anfing, die große Unsicherheit und Volatilität aufzunehmen und zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Verkaufswellen zu unterscheiden, sind die Spreads (Risikoaufschläge) wieder gefallen. Anfangs spielte auch die Möglichkeit eines Waffenstillstands eine Rolle. Während die Risikoaufschläge von Hochzinsanleihen nahezu zum Ausgangsniveau zurückkehrten, gingen die Spreads in Schwellenländern, die über Handel eng mit Russland verbunden sind, zwar ebenfalls zurück, konnten die Kursverluste aber nicht vollständig ausgleichen.
Die weitere Entwicklung unserer Rentenallokation wird von zwei Faktoren abhängen, die beide unter dem Einfluss des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine stehen. Der erste sind der Rohstoffschock und seine Auswirkungen auf die Inflation, der zweite ist das Wirtschaftswachstum. Wir rechnen nicht mit einer sofortigen Abkühlung des Wachstums, aber die Inflation ist ein brandaktuelles Thema. Im Energiebereich haben die USA angekündigt, ihre europäischen Verbündeten mit LNG (d.h. verflüssigtem Erdgas) zu versorgen, um eine potenzielle Unterversorgung mit russischem Gas abzumildern. Darüber hinaus erwägen die USA, einen Teil ihrer Ölreserven freizugeben.
Was die Zentralbanken betrifft, so scheint die amerikanische Federal Reserve (Fed) einen restriktiveren Kurs eingeschlagen zu haben, während die Europäische Zentralbank immer noch eine vergleichsweise expansive Geldpolitik betreibt. Daher haben wir unsere Prognosen für die Entwicklung der Renditen von US-amerikanischen und deutschen Staatsanleihen angehoben. Wir geben weiterhin den Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer und europäischen Investment-Grade-Unternehmensanleihen (Anleihen mit hohe Bonität) den Vorzug. Darüber hinaus schätzen wir Schwellenmarktanleihen und Hochzinsanleihen positiv ein.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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