Javascript is required
 
Wochenkommentar: Märkte im Bann der Zinsen

Wochenkommentar: Halbzeit der Berichtssaison

Die Aktienmärkte verzeichneten im Januar eine Korrektur von nahezu 10 % in den USA (S&P 500 Index) und knapp 8 % in Europa (Stoxx 600 Index). Hintergrund war die Unsicherheit der Investoren im Hinblick auf die künftigen Maßnahmen der US-Notenbank Fed zur Inflationsbekämpfung. Dies belastete vor allem hoch bewertete Wachstumsaktien (sog. Growth-Aktien). Value-Titel konnten dagegen, vor allem in den Sektoren Energie und Finanzen, eine überdurchschnittliche Wertentwicklung verzeichnen. 

In den ersten Februar-Tagen konnten die Aktienmärkte bereits einen Teil der Verluste aufholen. Sowohl der S&P 500 Index als auch der Stoxx 600 Index liegen aktuell nur noch 4 % unter ihren jüngsten Hochs. Vielen Investoren stellt sich daher die Frage wann der Zeitpunkt gekommen ist um wieder in Growth-Aktien zu investieren, die aktuell eine deutlich unterdurchschnittliche Wertentwicklung zu verzeichnen haben. In diesem Zusammenhang wird vor allem relevant sein, wie weit die Inflation dieses Jahr zurückgeht. Sollte die Teuerung hoch bleiben, dürfte die Fed die Zinsen stärker und schneller erhöhen, was Growth-Titeln weitere Kursverluste bescheren könnte. Sobald die Inflation aber auf ein normales Maß zurückgegangen ist, könnten die Bewertungen dieser Aktien wieder sehr attraktiv werden. Zu den Growth-Aktien zählen die Titel, welche in innovationsreichen Geschäftsfeldern tätig sind und dabei ein hohes Umsatzwachstums zu verzeichnen haben. Als Value-Aktien bezeichnet man Anteile von jenen Unternehmen die bewährte Geschäftsmodelle nutzen und deren Aktie unter Wert gehandelt wird.

Unterdessen ist der Aktienmarkt damit beschäftigt, die Geschäftszahlen der Unternehmen für das vierte Quartal zu verarbeiten. Der Energiesektor meldet sehr gute Ergebnisse. Die dort tätigen Unternehmen profitieren davon, dass die Öl- und Gaspreise auf mehrjährige Hochs gestiegen sind, getrieben von der hohen Nachfrage nach Treibstoff während der konjunkturellen Erholung nach den weltweiten Lockdowns. Langfristig dürfte diese Nachfrage zweifelhaft sein, denn Regierungen und Unternehmen haben sich ehrgeizige Ziele bei der CO2-Reduzierung gesetzt. Vergangene Woche schlug die Europäische Kommission vor, einige Atom- und Gaskraftwerke in den kommenden Jahren unter strengen Bedingungen als „grüne Investments“ zu deklarieren, weil diese Arten der Energiegewinnung notwendig sind, um die Energiewende zu schaffen. Dies könnte sich auf den Energiesektor auswirken, da insbesondere Länder außerhalb der EU dies als Rechtfertigung nutzen könnten, um länger an fossilen Brennstoffen festzuhalten.

Aktuell hat rund die Hälfte der S&P 500 Index Unternehmen Geschäftszahlen für das vierte Quartal veröffentlicht. Bislang sind die Ergebnisse gut ausgefallen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg lag das durchschnittliche Umsatzplus bei 5 %, das durchschnittliche Gewinnwachstum beträgt 11 %. In Europa ist es noch etwas zu früh, um Schlüsse zu ziehen, weil erst rund ein Viertel der Stoxx 600 Index Unternehmen ihre Geschäftszahlen vorgelegt haben. Bei diesen Unternehmen lag das durchschnittliche Umsatzwachstum bei 7 %, das Gewinnwachstum bei 10 %.

Anleihen: Gute oder schlechte Zinserhöhungen?

Die Phase direkt zu Beginn eines Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Fed muss für die Credit Spreads (Risikoaufschläge) nicht unbedingt schlecht sein. Schließlich wird von der Fed erwartet, dass sie in guten Konjunkturphasen die Zinsen erhöht, um der Inflationsentwicklung einen Schritt voraus zu sein. Dies ermöglicht der Fed zwar, die Zinsen stufenweise zu erhöhen, aber die gute gesamtwirtschaftliche Lage und die positiven Fundamentaldaten dürften ausreichen, um die Spreads unter Kontrolle zu halten oder sogar sinken zu lassen, sodass Unternehmensanleihen eine Überschussrendite gegenüber US-Staatsanleihen erzielen können. Eine solche Situation könnte man, bezugnehmend auf unsere Überschrift, als „gute Zinserhöhung“ bezeichnen. Problematisch könnte eine zu große Zinserhöhung seitens der Fed sein, wenn so die Konjunktur „abgewürgt“ würde, was die Risikoaufschläge wiederum steigen ließe und was so auch schon einmal stattgefunden hat.

Leider entspricht dieses Szenario jedoch nicht dem, was wir dieses Jahr bislang beobachten konnten. Stattdessen preisen die Märkte einen „schlechten“ Zinserhöhungszyklus ein. Die Marktteilnehmer sind offenbar der Meinung, die Fed „laufe der Entwicklung hinterher“. Das bedeutet, dass die Notenbank nach Meinung der Investoren die Geldpolitik zu lange expansiv gehalten hat und jetzt gezwungen ist ihren expansiven Kurs schnell zu korrigieren, um ein Inflationsproblem welches die Konjunktur abwürgen könnte zu vermeiden. Der Markt hat für 2022 inzwischen rund fünf Zinserhöhungen und eine quantitative Verknappung eingepreist. In diesem Szenario ist das Ende des Konjunkturzyklus näher als erwartet, denn die quantitative Verknappung könnte die Suche nach Rendite umkehren, und dies könnte zu steigenden Kreditrisikoaufschlägen führen.

Trotz der bisherigen Spread-Entwicklung seit Jahresbeginn ist es wohl noch zu früh, um sicher sagen zu können, ob der bevorstehende Zinserhöhungszyklus gut oder schlecht ist. Die Inflation hat auch mit der Pandemie zu tun und könnte daher im Lauf des Jahres zurückgehen. Dies würde bedeuten, dass die Fed der Entwicklung doch nicht „hinterherläuft“. In diesem Szenario ist das aktuelle Spread-Niveau attraktiv, wenn man bedenkt, dass das Wirtschaftswachstum über den historischen Durchschnittswerten liegen dürfte und die Fundamentaldaten gut sind (so haben sich zum Beispiel die Bilanzen der Unternehmen von der Pandemie erholt). 

Die Inflationsentwicklung lässt sich traditionell schwer prognostizieren, deshalb sind Inflationsprognosen immer mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Die Fed scheint sich dessen bewusst zu sein und will sich vermutlich alle Optionen offen lassen. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass vergangene Woche eine Reihe von Fed-Vertretern betont haben, die Zentralbank werde sich bei ihren Maßnahmen auf die Datenlage stützen. Die Finanzmärkte neigen diesbezüglich allerdings zu Übertreibungen, und die Volatilität dürfte dieses Jahr hoch bleiben. Entscheidend wird sein, wie sich die Inflation entwickelt und wie der Zinserhöhungszyklus aufgenommen wird. 


Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.

Foto: Kurt Kleemann / Shutterstock.com