
Wochenkommentar: Gute Unternehmensgewinne, aber nachlassendes Wachstum
Die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche waren natürlich die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed und die anschließende Einordnung durch die Notenbanker. Dabei stellten die Geldpolitiker klar, dass sie sich weiter darauf konzentrieren werden, die Inflation zu bekämpfen und unter Kontrolle zu bringen. Die Aktienmärkte reagierten zunächst negativ, weil sie einen etwas weniger restriktiven Grundton erwartet hatten. Bei den Quartalszahlen gab es erneut viele Unternehmen, denen es im abgelaufenen Quartal gelungen ist, die Erwartungen der Analysten zu übertreffen.
Die aktuelle Berichtssaison verläuft bislang recht erfreulich. Zahlreiche Unternehmen haben die Prognosen der Analysten übertroffen und wurden dafür belohnt. Auffallend ist allerdings, dass das Wachstum beim Gewinn je Aktie gegenüber dem Vorjahr seit einigen Quartalen kontinuierlich zurückgeht. Im dritten und vierten Quartal 2021 war noch problemlos ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 30 % zu verzeichnen gewesen, wenngleich es direkt nach der Pandemie zu beträchtlichen Verzerrungen durch Basiseffekte gekommen war. Inzwischen ist das Gewinnwachstum jedoch auf deutlich unter 10 % gefallen. Darüber hinaus geht der Löwenanteil des verbleibenden Ergebniswachstums auf Energieunternehmen zurück. Ohne diesen Sektor war die Ergebnisentwicklung im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres negativ. Sollten wir nach zwei Quartalen mit Ergebnisrückgängen bereits von einer Gewinnrezession sprechen, oder ist die Entwicklung der Vergleichsbasis durch die Corona-Pandemie völlig aus dem Gleichgewicht geraten?
Die Investoren sehen bislang weitgehend über die Ergebnisrückgänge in diesem Quartal hinweg, was im Oktober zu deutlichen Kursgewinnen an den Aktienmärkten geführt hat. Sie gehen im Allgemeinen davon aus, dass die Fed mit ihren Zinserhöhungen die Inflation schon bald unter Kontrolle bringt. Dann könnte die Notenbank die Zinserhöhungen verlangsamen oder sogar beenden, und die Wirtschaft würde einer Rezession entgehen. Diesen Optimismus hat die Fed mit ihrer jüngsten Zinsentscheidung am vergangenen Mittwoch jedoch abgewürgt. Fed-Chef Jerome Powell ließ wenig Zweifel daran, dass die US-Notenbank bereit ist, die Zinserhöhungen so lange fortzusetzen wie nötig, um die Inflation zu stoppen. Wenn also eine tiefergehende Rezession bevorsteht, könnten die aktuellen Gewinnerwartungen immer noch zu hoch sein. Aus diesem Grund bleiben wir in unserer Beurteilung der Aktienmärkte vorsichtig und haben Aktien in unserer Anlagestrategie dementsprechend untergewichtet.
Anleihen: Kein Kurswechsel der Fed in Sicht
Die US-Notenbank Fed hob am vergangenen Mittwoch den Leitzins erwartungsgemäß um weitere 75 Basispunkte (Bp) an. Es war die sechste Zinserhöhung in Folge seit März, sodass sich für den Leitzins jetzt eine Zielspanne von 3,75 % bis 4 % ergibt. Fed-Chef Jerome Powell sagte bei der Pressekonferenz, die Notenbank sei theoretisch bereit, das Zinserhöhungstempo schon bei der nächsten Sitzung im Dezember zu drosseln, fügte aber sofort hinzu, für eine Pause der Zinserhöhungen sei es noch zu früh. Die Fed scheint nach wie vor der Meinung zu sein: Lieber zu viel als zu wenig; und wenn das an den Finanzmärkten zu Turbulenzen führt, dann sei das eben so.
Powell schlug einen recht restriktiven Grundton an und bekräftigte, die Fed halte am langfristigen Inflationsziel von 2 % fest; aktuell liegt die Teuerung über 8 %. Diese Ankündigungen wirkten sich insgesamt negativ auf die Finanzmärkte aus, und so verschob sich die Renditekurve von US-Staatsanleihen (Treasuries) nach oben. Dies betraf das kurze Ende der Kurve, da die kurzen Laufzeiten in der Regel stärker von Notenbankentscheidungen beeinflusst werden.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
Foto: sokolovsky / Shutterstock.com