
Wochenkommentar: Gibt es eine Weihnachtsrally?
Die Investoren haben vergangene Woche mit Spannung auf die Beschlüsse der Zentralbanken gewartet. In den USA haben die unter den Erwartungen liegenden Inflationszahlen vom Anfang der Woche nicht dazu geführt, dass die US-Notenbank Fed von ihrer restriktiven Geldpolitik abweicht.
Die Fed stützt sich bei ihren Entscheidungen auf die Wirtschaftsdaten und ist fest entschlossen, wieder Preisniveaustabilität herzustellen. Dies dürfte den Investoren in Bezug auf eine potenzielle geldpolitische Lockerung Rätsel aufgeben, wenn es zu einer konjunkturellen Abkühlung kommt. Da die Unternehmen bereits unter einem hohen Kostendruck leiden, scheint eine Weihnachtsrally dieses Jahr eher unwahrscheinlich.
Europäische Aktien entwickeln sich jüngst besser als amerikanische, nachdem sie jahrelang eine strukturell bedingt schlechtere Wertentwicklung verzeichnet hatten. Eine Verbesserung bei den Engpässen in den Lieferketten und die Lockerung der Null-Covid-Politik in China kommen zyklischen Sektoren in Europa zugute, zum Beispiel Industrie und Grundstoffe. Ob sich diese Verbesserung 2023 fortsetzt, bleibt indes abzuwarten, denn die europäische Wirtschaft dürfte in den kommenden Monaten Anzeichen der Schwäche aufweisen. Deshalb verfolgen wir bei Aktien weiterhin einen konservativen Ansatz. Bei der Sektoraufteilung favorisieren wir eine stärkere Gewichtung von defensiven Sektoren wie Gesundheitswesen und dem nicht zyklischen Konsum. Beim zyklischen Konsum und bei Kommunikationsdienstleistungen bleiben wir vorerst weniger optimistisch.
Anleihen: Alles schaut immer noch auf die Zentralbanken
An den Anleihemärkten wurde die vergangene Woche erneut von den Zentralbanken und ihren Bemühungen, die hohe Inflation einzudämmen, dominiert. Die in der Vorwoche gemeldeten überraschend hohen US-Herstellerpreise sorgten weiter für Unsicherheit und eine noch stärkere Inversion der Renditekurve. In der vergangenen Woche führten die US-Inflationsdaten zu Erleichterung, weil sie ein weiteres Anzeichen dafür waren, dass der Höhepunkt der Teuerung überschritten sein könnte.
Die 0,5-%-Zinsanhebungen der Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) entsprachen den Erwartungen, nachdem die Notenbanken jüngst signalisiert hatten, dass sie das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln würden. Gleichzeitig verwies Fed-Chef Jerome Powell darauf, dass der Kampf gegen die Inflation noch lange nicht gewonnen sei und die Zinsprognosen der Geldpolitiker für 2023 über dem aktuell am Markt eingepreisten Niveau lägen.
In der Eurozone lag der Fokus auch auf dem geplanten Abbau der Anleihepositionen, die die EZB seit 2015 aufgebaut hat. Wie die EZB bei ihrer Pressekonferenz mitteilte, will sie diese Positionen ab März 2023 abbauen, und die Geldpolitiker verwiesen erneut auf die anhalten Inflationsrisiken. Die Renditen auf 10-jährige amerikanische und deutsche Staatsanleihen schwankten erheblich. Während der Zins auf 10-jährige Bundesanleihen einerseits erneut die Marke von 2 % testete und überschritt, fiel er andererseits als Reaktion auf die US-Inflationsdaten zeitweise auf bis zu 1,85 %.
Peripherieländeranleihen verzeichneten zwar nach wie vor Volatilität, aber insbesondere die Spreads (Risikoprämien) von italienischen Anleihen haben sich von den Hochs im September gut erholt. Dazu hat nicht nur eine positive Risikobereitschaft beigetragen, sondern auch die Tatsache, dass die neue politische Führung in Italien entgegen der anfänglichen Bedenken bisher nicht auf Konfrontationskurs zur EU gegangen ist. Trotz attraktiver Risikoprämien bleiben wir mit Blick auf weitere Zukäufe vorerst vorsichtig, denn ein weiterer Rückgang der Spreads hängt weitgehend davon ab, dass die EZB während der zu erwartenden Rezession von Inflationsbekämpfung auf eine expansivere Geldpolitik umschaltet.
Bei Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sind die Risikoprämien trotz des zu erwartenden weiteren konjunkturellen Rückgangs im vierten Quartal bislang deutlich gefallen. Bei Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating liegen die Spreads zwar nach wie vor über dem historischen Durchschnitt, aber wir sind der Auffassung, dass insbesondere die Spreads bei Hochzinstiteln die drohenden konjunkturellen Risiken nicht angemessen widerspiegeln.
In der kommenden Woche stehen wichtige Wirtschaftsdaten an. In den USA werden die Märkte vor allem auf die Immobilien- und die Beschäftigungsdaten schauen und dabei die Auswirkungen auf die Geldpolitik im Hinterkopf haben. In der Eurozone dürften die Daten des Ifo-Instituts wertvolle Hinweise auf die aktuelle Konjunktur und die weiteren Aussichten bereithalten.
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