
Wochenkommentar: Fed und Sanktionen stehen im Mittelpunkt
Vergangene Woche hatten die Aktienmärkte eine leicht negative Wertentwicklung zu verzeichnen: Der S&P 500 Index und der STOXX Europe 600 Index verzeichneten sehr moderate Rückgänge infolge der recht restriktiven Töne der US-Fed und der Aussicht auf weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland.
Fed-Gouverneurin Lael Brainard, die für den Vizevorsitz der US-Notenbank nominiert ist, signalisierte, dass die Notenbank nach der nächsten geldpolitischen Sitzung im Mai anfangen wird ihre Bilanz zu verkürzen. Dies war mehr oder weniger erwartet worden. Weniger zu erwarten war hingegen Brainards Aussage, dass die Bilanzverkürzung deutlich schneller als beim letzten Mal (2017-2019) erfolgen werde und dass das maximale Tempo der Reduzierung deutlich früher erreicht werde. Das heißt, dass die Fed nicht nur aufhört, die Erlöse aus fällig werdenden Anleihen zu reinvestieren, sondern in ihrem Anleiheportfolio auch direkte Verkäufe vornehmen wird.
Zusätzlich zu diesen restriktiven geldpolitischen Vorhaben müssen Aktieninvestoren die Möglichkeit weiterer Sanktionen gegen Russland einkalkulieren, die sich auf die Inflation und die Unternehmensgewinne auswirken könnten. Die USA und Europa arbeiten derzeit an weiteren Sanktionen gegen Russland. Die US-Regierung hat Amerikanerinnen und Amerikanern verboten, neue Investitionen in Russland zu tätigen, und die EU hat ein Importverbot für russische Kohle beschlossen.
Anleihen: vorübergehend inverse Zinsstrukturkurve
Nach einem sehr guten US-Beschäftigungsbericht am Freitag vor einer Woche stieg die Rendite von 2-jährigen US-Staatsanleihen über die von 10-jährigen, sodass die Zinsstrukturkurve das zweite Mal in jener Woche invers verlief. Eine deutlich inverse Zinsstrukturkurve hat sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Indikator für eine Rezession erwiesen. Wie es zu diesem kurzzeitig inversem Verlauf der Zinsstrukturkurve kommen konnte klären wir im Folgenden: Durch die quantitativen Lockerungen, also den Anleihekaufprogrammen der Notenbanken, wurden die Renditen über Jahre hinweg niedrig gehalten. Auf Grund dessen ist die direkte Verknüpfung zwischen dem Verlauf der Zinsstrukturkurve und dem Wirtschaftswachstum schwächer geworden.
Es ist davon auszugehen, dass die US-Notenbank Fed im Lauf der nächsten Monate deutlich restriktiver wird. Dies sorgt für den Anstieg kurzfristiger Zinsen (2-jährige Anleihen). Als Fed-Gouverneurin Lael Brainard am vergangenen Dienstag sagte, die Zentralbank werde schon bei der Mai-Sitzung anfangen, ihre Bilanz schnell zu verkürzen, fielen die Kurse von 10-jährigen Treasuries (US-Staatsanleihen), was die Inversion der Zinsstrukturkurve im Laufzeitbereich zwischen 2 und 10 Jahren wieder aufhob.
Die Zentralbanken sind aktuell hin- und hergerissen zwischen Wachstums- und Inflationsrisiken. Brainard bestätigte mit ihren Aussagen vergangene Woche, dass sich die Fed aktuell auf die Inflationsbekämpfung konzentriert. Die US-Notenbank hat vergangenen Monat ihren Zinserhöhungszyklus begonnen und für 2022 sechs weitere und für 2023 vier weitere Zinsanhebungen angekündigt. Der Anleihemarkt nimmt diese aggressive geldpolitische Verknappung vorweg. Dies führt dazu, dass die Rendite auf 2-jährige US-Staatsanleihen drastisch steigt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat inzwischen ebenfalls angekündigt, ihren Kurs weg von einer expansiven, hin zu einer restriktiven Geldpolitik zu ändern. Obwohl man davon ausgehen könnte, dass der Ukraine-Krieg und Europas Abhängigkeit von russischen Rohstoffen das Rezessionsrisiko in Europa erhöhen, weist Europas Zinsstrukturkurve keine Inversion auf. Die EZB konzentriert sich ebenfalls auf die Inflation, erscheint aber weniger restriktiv als die Fed. Wir rechnen nicht vor Dezember 2022 mit der ersten Zinserhöhung seitens der EZB. Außerdem wird die EZB die Zinsen deutlich langsamer erhöhen als die Fed, sodass am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve weniger Aufwärtsdruck entsteht.
Wir rechnen zwar damit, dass das Wirtschaftswachstum geringer ausfällt als anfangs erwartet, aber eine Rezession entspricht aktuell nicht unserem Basisszenario. Wir bleiben bei unserer Untergewichtung von Anleihen und favorisieren weiterhin Peripherieländerstaatsanleihen, die eine attraktive Risikoprämie bieten, sowie Unternehmensanleihen mit attraktiven Spreads (Risikoaufschlägen) bei gesunden Bilanzen.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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