
Wochenkommentar: Fallende Renditen bei Anleihen trotz steigender Inflation
Nachdem die Renditen wochenlang gefallen sind, scheint nun eine Stabilisierung einzutreten. Trotz besserer Daten bei den Frühindikatoren und bei den nachlaufenden Indikatoren sind die Renditen auf Staatsanleihen im zweiten Quartal 2021 insbesondere in den USA gefallen, sodass der Renditeabstand zwischen amerikanischen und französischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren auf das Niveau von vor der US-Präsidentschaftswahl im November 2020 gefallen ist.
Diese Abwärtsbewegung war doch einigermaßen erstaunlich, denn die gesamtwirtschaftlichen Daten waren gut, vor allem die US-Inflationszahlen vom Mai (5 % gegenüber dem Vorjahr). Die Anleihemärkte scheinen die Einschätzung der US-Fed zu teilen, dass der Inflationsanstieg vorübergehender Natur ist und auf die Öffnungen und wirtschaftlichen Impulse nach der Covid-19-Pandemie zurückgeht.
Der Markt gewöhnt sich an die Lesart, dass die Inflation nicht von Dauer ist, und reduziert dementsprechend die Inflationsrisikoprämie und lässt die Renditen fallen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde schloss sich bei der Juni-Sitzung der EZB der Meinung der Fed an, dass die höheren Inflationsraten nur vorübergehend sind, und sagte, der zugrunde liegende Preisdruck dürfte im Euroraum insgesamt schwach bleiben, weil es in der Wirtschaft ausreichend ungenutzte Kapazitäten, ein geringes Lohnwachstum und einen starken Euro gibt. Die Finanzmärkte nahmen diese Einschätzung für bare Münze und ließen die Breakeven-Inflationsrate auf beiden Seiten des Atlantiks sinken.
Die Breakeven-Inflationsrate ist eine Kennzahl die die Inflationserwartungen des Marktes verdeutlicht und die Gewinnschwelle von an Verbraucherpreisindex gekoppelte Anleihen gegenüber einer traditionellen Schuldverschreibung angibt. Doch der Rückgang der Renditen auf US-Staatsanleihen scheint den Fundamentaldaten der US-Wirtschaft zuwider zu laufen, und wir bezweifeln, dass er von Dauer ist. In diesem Zweifel wurden wir bestärkt, als die Fed ihre Sitzung vergangene Woche mit einem stärkeren Grundton beschloss. Die Geldpolitiker blieben bei der Einschätzung, dass die Inflation weitgehend vorübergehende Faktoren spiegelt, korrigierten aber ihre Inflationsprognosen für das Gesamtjahr erheblich.
Trotzdem wird EZB-Präsidentin Lagarde im Hinblick auf die geldpolitischen Anreize deutlicher: Sie sagte, es sei „noch viel zu früh“ und „tatsächlich auch unnötig“, über eine Reduzierung der geldpolitischen Unterstützung nachzudenken. Dies könnte den Weg frei machen für niedrigere Renditen in Europa, wenn die Inflationserwartungen in Europa tatsächlich wieder zurückgehen.
Wir haben Staatsanleihen momentan untergewichtet, denn mit Renditen tief im negativen Bereich sind sie als Portfoliopuffer deutlich weniger geeignet. Wir favorisieren spanische und noch mehr italienische Anleihen und werden unsere verbleibende gegen US-Dollar-Schwankungen abgesicherte Position in US-Staatsanleihen auf den Prüfstand stellen, weil deren Rendite weniger attraktiv geworden ist.
Die Unternehmensgewinne wachsen, getragen von den überzeugenden Argumenten für eine konjunkturelle Erholung, weiter. Die stärksten Treiber sind hier der Erfolg der Impfstoffverteilung sowie die geld- und fiskalpolitischen Unterstützungsprogramme. Hochzinsanleihen und Schwellenmarktanleihen entwickelten sich bei niedrigeren Risikoaufschlägen gleichermaßen gut und ließen Staatsanleihen hinter sich. Wir bleiben bei unserer Übergewichtung im hochrentierlichen Teil des Portfolios.
Aktien müssen die Fed-Prognosen verdauen
Die wichtigste Nachricht war vergangene Woche das Ergebnis der Fed-Sitzung. Dieses fiel wegen der angehobenen Konjunkturprognosen besser aus als erwartet. 7 von 18 Amtsträger rechnen 2022 mit einer Zinserhöhung und 13 Ausschussmitglieder rechnen 2023 mit mindestens einer Zinserhöhung. Im März teilten nur 7 Mitglieder des Ausschusses diese Meinung.
Die Fed signalisierte jedoch keine Veränderung der Anleihekäufe, hielt den Leitzinskorridor bei 0,00 % bis 0,25 % und deutete bei der Pressekonferenz an, man werde anfangen, eine Debatte über das Ende der Kaufprogramme (d.h. der quantitativen Lockerung) in Erwägung zu ziehen. Die Kommunikation der Fed löste an den Finanzmärkten eine Reaktion aus: Die Kurse von US-Aktien verzeichneten eine gewisse Korrektur, während die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen über die Marke von 1,5 % stieg und der US-Dollar gegenüber dem Euro aufwertete.
Etwas allgemeiner gesprochen bleiben die finanziellen Rahmenbedingungen günstig für risikobehaftete Anlagen, insbesondere für Aktien. Die europäischen Aktienmärkte erweisen sich als sehr widerstandsfähig, getragen von den Öffnungen nach den Corona-bedingten Einschränkungen. Auch die amerikanischen Aktienmärkte entwickelten sich sehr gut. Der S&P 500 Index erreichte neue Allzeithochs, wenngleich dies bei anderen Indizes, wie dem Dow Jones oder dem Russel 2000, nicht der Fall war. Aus Sektorperspektive entwickelten sich stark konjunkturabhängige Bereiche (zyklische Bereiche) leicht unterdurchschnittlich, während Wachstumssektoren wie IT eine überdurchschnittliche Wertentwicklung verzeichneten.
In den kommenden Tagen werden die Marktteilnehmer zweifellos die Fed-Kommunikation verdauen müssen und sich weiterhin auf die Wirtschaftsdaten konzentrieren, die zu einer Änderung der Fed-Prognosen führen könnten.
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