Wochenkommentar: Ein Cocktail mit drei Zutaten

Aktuell gibt es drei Faktoren, die die Aktienmärkte dominieren: die US-Wahlen, die zweite Welle der Corona-Infektionen in Europa und die Berichtssaison für das dritte Quartal. Dieser Cocktail mit drei Zutaten dürfte die Märkte in den nächsten drei Wochen weiter bestimmen.
Wenige Wochen vor den Wahlen in den USA führt Joe Biden in den Umfragen immer noch sehr deutlich. Unterdessen ändert sich an der Wahrscheinlichkeit einer Einigung über neue Konjunkturhilfen momentan kaum etwas. Eine mögliche Einigung zwischen dem Weißen Haus und den Demokraten ist und bleibt ein positiver Faktor für die Märkte. Doch wie Finanzminister Steven Mnuchin sagte, ist es unwahrscheinlich, dass vor der Wahl noch eine Übereinkunft erzielt wird. Donald Trump ist vergangene Woche wieder in den Wahlkampf eingestiegen. Das könnte ihm helfen, den Rückstand zu Biden aufzuholen, was den Ausgang der Wahl wieder unsicherer macht.
Der zweite Markttreiber, die erneute Pandemiewelle in Europa, zwingt die Regierungen, neuerliche Beschränkungen zu verhängen, zum Beispiel in Spanien, in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland. Deshalb schauen die Investoren allmählich auf die potenziellen negativen Folgen für Europas Wirtschaftswachstum. Im Dienstleistungssektor ist das Vertrauen der Unternehmen, ausgedrückt in den Einkaufsmanagerindizes für die Dienstleister der Eurozone, im September bereits unter die Marke von 50 Punkten gefallen, was eine rückläufige Wirtschaftsleistung signalisiert. So gehen wir für Europas Wirtschaft von einem „Double-Dip“-Szenario aus, das im Schlussquartal dieses Jahres und im ersten Quartal 2021 mit einem BIP-Rückgang verbunden ist.
Die Berichtssaison für das dritte Quartal – der dritte und letzte Faktor – beginnt jetzt sowohl in den USA als auch in Europa. In den USA sind die Geschäftszahlen der Banken und Finanzdienstleister besser ausgefallen als erwartet. Die Investoren haben aber dennoch negativ reagiert. In den vergangenen Tagen haben sich vor allem Energie- und Finanzaktien weit unterdurchschnittlich entwickelt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält gerade seine Jahresversammlungen ab und prognostiziert für die Weltwirtschaft 2020 ein Wachstum von -4,4 %; das ist der schlechteste Wert seit der Weltwirtschaftskrise. Der IWF dringt darauf, dass die Länder ihre fiskalischen Unterstützungsprogramme noch deutlich weiter in die Erholung hinein fortsetzen, weil ein verfrühtes Ende dieser Programme negative Folge für die privaten Haushalte und die Unternehmen haben könnte. Doch in den USA bleiben die Diskussionen über neuerliche Konjunkturhilfen ergebnislos, und niemand scheint mehr auf eine Einigung vor der Präsidentschaftswahl zu hoffen.
Anleihen: Abwägen zwischen Rendite und Risiko
Diese Entwicklung hat die Rendite auf deutsche Staatsanleihen wieder deutlich unter -50 Basispunkte gedrückt; das ist die Marke, an der die Rendite unserer Einschätzung nach längere Zeit verharren dürfte. Die Risikoprämien auf Unternehmensanleihen sind nicht gestiegen, denn die enorm umfangreichen geldpolitischen Programme und die Jagd nach Rendite (d.h. festen Zinserträgen) stützen die Kurse. Insbesondere die EZB kauft in beeindruckenden Tempo Anleihen. Bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen gehen wir davon aus, dass die EZB pro Monat nahezu EUR 10 Mrd. an Papieren kauft: Das ist eine enorme Unterstützung für die Anlageklasse. Wir stellen uns nicht gegen die Zentralbank, sondern sind vielmehr gern bereit, gemeinsam mit ihr zu investieren.
Zudem gibt der Markt einer sogenannten „Blue Wave“, das heißt einem Sieg der Demokraten bei den US-Wahlen im November, eine recht hohe Wahrscheinlichkeit. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass schon kurz nach der Wahl ein großes neues Fiskalpaket angekündigt wird. Vor diesem Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit für einen massiven Rückzug der Investoren aus Risikoanlagen gering, das Risiko sollte aber dennoch nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Szenario erscheinen uns Hochzins-Unternehmensanleihen mit den niedrigsten Ratings am anfälligsten.
Sollten die Märkte in den kommenden Wochen weiter eine „blaue Welle“ einpreisen, dürften die Renditen auf US-Anleihen steigen und die Renditekurve steiler werden. Wir gehen davon aus, dass dies aber nur vorübergehend sein wird und die Fed die Renditen noch lange Zeit niedrig halten wird...
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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