
Wochenkommentar: Die Unternehmen öffnen ihre Bücher
Die Gewinnberichtssaison der Unternehmen für das vierte Quartal/Gesamtjahr 2022 hat begonnen, wobei die US-Banken - wie üblich - zu den ersten Unternehmen gehören, die ihre Ergebnisse veröffentlichen. Auch einige andere Unternehmen haben ihre Ergebnisse bereits veröffentlicht, während die überwiegende Mehrheit der Gewinnmitteilungen in den kommenden drei Wochen erwartet wird.
Die hohen Energiepreise, die Lohninflation, der Abbau von Lagerbeständen und Probleme in der Lieferkette dürften sich im vierten Quartal stark auf die Unternehmensgewinne ausgewirkt haben. Die Anleger werden jedoch noch mehr daran interessiert sein, was die Unternehmen über ihre Aussichten für 2023 zu sagen haben.
Einem Modell der Federal Reserve Bank of New York zufolge, das zur Abschätzung des Rezessionsrisikos die Spanne zwischen 3-Monats- und 10-Jahres-Treasury-Renditen heranzieht, besteht derzeit eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 47 % - der höchste Stand seit 40 Jahren. Es gibt jedoch einige Faktoren, die sowohl für die Aussichten der Unternehmen als auch für die Aktienmärkte positiv sein könnten. Zu diesen Faktoren gehören die Wiedereröffnung Chinas und ein Aufholen der Auftragsbestände, die durch Unterbrechungen der Lieferkette verursacht wurden.
Wir erwarten keine großen Gewinnüberraschungen, jedoch dass die Unternehmen bei ihren Prognosen einen vorsichtigeren Ton anschlagen werden. Wir sind der Meinung, dass sich die Ertragsaussichten aufgrund vieler Unsicherheitsfaktoren wie geopolitische Entwicklungen, Energiepreise, die Wiedereröffnung Chinas und das Konsumverhalten verschlechtert haben dürften.
2023 dürfte ein Rückgang des Gewinnwachstums im Unternehmenssektor zu beobachten sein, der auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Europa und den USA zurückzuführen ist. Was die Aussichten der Unternehmen angeht, überwiegen daher unserer Meinung nach die Abwärtsrisiken gegenüber den Aufwärtsrisiken. Bislang war die Stimmung an den Aktienmärkten im Januar positiv. Dieser Optimismus beruhte hauptsächlich auf der Wiedereröffnung Chinas und den geringeren Sorgen um die Energieversorgung aufgrund des milden Winters in Europa. Wir glauben nicht, dass die Abwärtsrisiken im Zusammenhang mit dem rückläufigen Ertragswachstum vollständig eingepreist sind. Daher bleiben wir in Aktien untergewichtet.
Anleihen - Die Ungewissheit hält an
Die Anleihemärkte sind weiterhin mit einem hohen Maß an Volatilität konfrontiert. Auslöser dafür ist das Spannungsfeld zwischen der nachlassenden Inflation und Gerüchten über eine mögliche Verlangsamung des Zinserhöhungspfads der EZB einerseits und der offiziellen, immer noch restriktiven Kommunikation der Zentralbanken andererseits.
Die Erwartungen der Marktteilnehmer, dass die nachlassende Inflation in der zweiten Jahreshälfte zu Zinssenkungen führen sollte, stehen im Widerspruch zu den Aussagen der Zentralbanker. EZB-Ratsmitglied Rehn und Chefvolkswirt Lane bekräftigten die restriktive Haltung der EZB und erklärten, dass die Zinsen weiter steigen müssten, um ein Niveau zu erreichen, das eine Rückkehr zum Inflationsziel von 2 % gewährleistet. Infolgedessen wurden sowohl die Renditen von US-Staatsanleihen als auch von Bundesanleihen in dieser Woche in einer großen Bandbreite gehandelt. Während die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen zu Beginn der Woche über die Marke von 2,20 % stieg, ist sie inzwischen wieder unter 2 % gefallen. Die aktuelle Konstellation führt zu einer hohen Unsicherheit und macht eine klare Positionierung in Bezug auf die Duration kaum möglich. Wir bevorzugen eine vorsichtige Haltung, bis weitere Klarheit über den zukünftigen Weg der Zentralbanken besteht.
Die Risikoprämien in den Peripherieländern, insbesondere für italienische Staatsanleihen, haben sich von ihren jüngsten Höchstständen erholt. Neben der nachlassenden Inflation profitieren sie von der Tatsache, dass die italienische Regierung entgegen anfänglichen Befürchtungen noch keinen größeren Konflikt mit Brüssel zu bewältigen hatte. Mit Blick auf die Zukunft bleiben wir bei der Aufstockung unserer Allokation zurückhaltend. Da die Verengung der Risikoaufschläge (Spreads) größtenteils auf der Hoffnung beruhte, dass der Zinsdruck nachlassen würde, würde eine länger als erwartet andauernde Straffung der Zentralbankpolitik wahrscheinlich zu höheren Risikoprämien führen.
Die nachlassende Inflation und das Ausbleiben einer Energiekrise in Europa - aufgrund des bisher milden Winters - trugen zu einem weiteren Rückgang der Risikoprämien auf Investment-Grade- und Hochzins-Unternehmensanleihen bei. Bei den Hochzinsanleihen halten wir die Verengung der Spreads für zu optimistisch. Unserer Meinung nach spiegeln diese Spreads die aktuellen wirtschaftlichen Risiken nicht angemessen wider. Wir bleiben daher zuversichtlich bei unserer untergewichteten Positionierung.
Nächste Woche werden wichtige Wirtschaftsdaten veröffentlicht. In den USA werden die PMI-Daten Aufschluss über den Zustand des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors geben (PMI: Purchasing Managers' Index). Darüber hinaus werden die US-Beschäftigungszahlen mit Blick auf die Politik der Zentralbank genau beobachtet werden. In der Eurozone werden die Daten des PMI und des IFO-Instituts nützliche Anhaltspunkte über den Zustand der Wirtschaft und ihre Zukunft liefern.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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