Wochenkommentar: Die Fed hält sich zurück

Der Ausblick auf ein starkes Wirtschaftswachstum in den USA lässt die Renditen steigen und rückt sie damit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Marktteilnehmer, nicht nur der Anleiheinvestoren. Die Finanzmärkte sind ganz offensichtlich stärker davon überzeugt, dass ein außergewöhnliches Wachstum letztlich zu Inflation führt, als die Notenbanken.
Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte vergangene Woche mit der Ankündigung, in den kommenden Monaten erheblich mehr Anleihen am Markt zu kaufen als bisher. Da in Europa keine weiteren fiskalpolitischen Konjunkturhilfen geplant sind, fühlt sich die EZB gezwungen, zu handeln und die langfristigen Zinsen zurück auf das Leitzinsniveau von -0,5 % zu bringen. Die Käufer von europäischen Anleihen haben die Zentralbank auf ihrer Seite, wenn sie hoffen, einen Teil ihrer Verluste, die sie in den vergangenen Monaten erlitten haben, wieder aufzuholen.
Doch der Anstieg der europäischen Anleiherenditen geht auf den Anstieg der US-Renditen zurück, und dort ist die Lage völlig anders. Im Gegensatz zu Europa erhöht die US-Regierung weiter ihre Ausgaben – sie kennt scheinbar kein Halten. Deshalb hält sich die US-Notenbank (Fed) klar zurück und überlässt das Ruder Präsident Biden. Nach der geldpolitischen Sitzung von vergangener Woche lautete die Botschaft der Fed an die Investoren, dass sie sich im Hinblick auf ihre Inflations- und Zinserhöhungsängste entspannen können. Die Geldpolitiker der Fed haben kein Problem damit, die kurzfristigen Zinsen sehr lange Zeit niedrig zu halten, und rechnen in den kommenden drei Jahren nicht mit Zinserhöhungen.
Anders als in Europa hält es die Fed aber nicht für notwendig, auch die langfristigen Zinsen niedrig zu halten. Höhere Renditen spiegeln meist höhere Inflationserwartungen und stellen keine Bedrohung für das boomende Wachstum dar. In den kommenden Monaten werden nicht nur die Wachstumsindikatoren steigen, wenn die Volkswirtschaften wieder öffnen, auch die Inflationszahlen werden im Vergleich zum Vorjahr, als die Corona-Pandemie begann, hoch erscheinen. Solange sich die Fed zurückhält, gibt es nicht viel, was die Investoren davon abhalten würde, kurzfristig sogar noch höhere Renditen zu verlangen, selbst wenn die Fed langfristig recht behält. Das wird US-Staatsanleihen nur noch attraktiver erscheinen lassen, insbesondere für Investoren aus Regionen, in denen die Zentralbanken die Anleiherenditen aktiv drücken, wie zum Beispiel in Japan und in Europa.
Dass sich die Investoren im Hinblick auf die Zinsabhängigkeit ihrer Anleihen entspannen können, dafür scheint es noch zu früh, aber die Risikoaufschläge der risikoreicheren Anleihesegmente haben sich als sehr widerstandsfähig erwiesen. Hier gibt es nur wenig Grund zur Sorge, und die Investoren können getrost weiterhin zu den riskanteren Schuldtiteln greifen, statt sichere Anleihen mit negativer Rendite zu kaufen. Sowohl bei Unternehmensanleihen mit Ratings von BBB bis BB als auch bei Staatsanleihen der Peripherieländer sind Ausblick und Bewertung relativ attraktiv. Schwellenmarktanleihen haben dieses Jahr bislang am stärksten unter ihrer hohen Zinsanfälligkeit gelitten, sind sonst auf Basis der fundamentalen Faktoren aber immer noch sehr attraktiv.
Aktien: Schwellenmärkte unter Druck
An den Aktienmärkten war die Entwicklung vergangene Woche nicht besonders spektakulär, weil die Investoren auf das Ergebnis der geldpolitischen Sitzung der Fed gewartet haben. Aus regionaler Perspektive entwickelten sich die Schwellenmärkte weiterhin unterdurchschnittlich.
In den Schwellenländern machen sich die steigenden langfristigen Renditen in den USA negativ bemerkbar. Während sich Chinas Aktienmarkt stabilisiert, ist die Lage an den Aktienmärkten anderer Schwellenländer weniger einheitlich. Unterdessen haben sich die Aktienmärkte der USA und Europas weiterhin gut gehalten, die Volatilität hat abgenommen. In den USA war eine teilweise Umkehr der jüngsten Trends zu beobachten: Der Technologiesektor hat sich erholt, und in den beiden Sektoren, die den Markt seit Jahresbeginn angeführt hatten – Energie und Finanzen – gab es Gewinnmitnahmen. In Europa gestaltet sich die Entwicklung der Sektoren etwas anders: Banken verzeichnen weiterhin eine Outperformance und profitieren vom sogenannten Reflationstrade (Reflation bezieht sich auf eine Situation, in der fiskal- und geldpolitische Maßnahmen das Wirtschaftswachstum und die Inflation ansteigen lassen). Doch der Energiesektor leidet unter Gewinnmitnahmen.
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