
Wochenkommentar: Der Optimismus des Sommers schwindet
Nachdem die Zentralbanken vor kurzem bekräftigt haben, dass sie der Inflationsbekämpfung oberste Priorität einräumen, müssen die Investoren verdauen, dass die Geldpolitik restriktiv bleiben wird.
Dies steht im Kontrast zum Optimismus, der den Sommer über allgemein zu spüren war. Im Kern sind die Zentralbanken bereit, wirtschaftliches Wachstum zu einer Zeit zu opfern, in der sich die Fundamentaldaten der Unternehmen verschlechtern. Alle diese Faktoren und Entwicklungen in Kombination werden wahrscheinlich dazu führen, dass sich die weltweite Konjunktur im Verlauf der nächsten Quartale abkühlen wird.
Die verstärkte Furcht vor einer Stagflation hat die Aktienmärkte ins Minus drehen lassen, denn der Appetit auf risikobehaftete Anlagen hat sich abgeschwächt. Im Vergleich zu den europäischen und US-Märkten verzeichneten die Märkte der Schwellenländer seit Ende letzter Woche allerdings eine etwas bessere Wertentwicklung. Bei den globalen Wirtschaftssektoren, die insgesamt rückläufig waren, entwickeln sich der Energiebereich, nicht-zyklische Konsumgüter sowie der Finanzsektor seit einiger Zeit besser als der stärker negativ beeinflusste IT-Sektor.
Der Anleihemarkt ringt mit den Zinsanhebungen
Wie sich den in dieser Woche vorgelegten Daten entnehmen ließ, fiel die Inflation in der Eurozone höher aus als erwartet. Dies wird wohl den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, die Zinssätze auf ihrer nächsten Sitzung signifikant anzuheben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % preist der Markt mittlerweile sogar ein, dass die EZB die Sätze um 75 Basispunkte erhöhen wird. Dies bedeutet Aufwärtsdruck für die Anleiherenditen, weil der Anstieg der Inflation noch nicht vorüber ist. (Die Anleiherenditen entwickeln sich immer gegenläufig zu den Anleihekursen.)
Wir erwarten, dass die Inflation frühestens im September/Oktober ihren Höhepunkt erreichen wird. Für die Anleihemärkte ist dies negativ. Weshalb haben wir dennoch vor kurzem entschieden, unsere Allokation in Anleihen zu erhöhen und im Verhältnis zu unserer Benchmark eine neutrale Position einzunehmen?
Nun, um die Inflation einzudämmen, erhöhen die Zentralbanken die Zinsen und gehen dabei das Risiko ein, die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben. Die Situation für die Eurozone, die sich aufgrund ihrer Abhängigkeit von russischem Gas ohnehin bereits in schwerem Fahrwasser befindet, verschärft sich dadurch weiter.
Wir erwarten für die Eurozone eine tiefe, aber kurze Rezession, während für die USA eine mildere Rezession im nächsten Jahr prognostiziert wird. Chinas Wachstum scheint währenddessen durch seine Null-Covid-Strategie und die Turbulenzen an seinem Immobilienmarkt ausgebremst zu werden. Alle diese Aspekte führen auf den Märkten zu Unruhe. Die Renditen sollten aufgrund dessen zwar volatil, aber auch kurzfristig auf aktuellem Niveau bleiben, da die Zinsanhebungen größtenteils bereits in den Renditen der deutschen Staatsanleihen eingepreist sind.
Wenn sich die erwartete Konjunkturabkühlung einstellt, werden die Zentralbanken ihre aggressive Zinserhöhungsrhetorik wahrscheinlich zurückfahren. Als Folge haben wir unsere mittelfristigen Prognosen für die Zinsen auf Bundesanleihen vor kurzem nach unten korrigiert und unsere Position in sicheren Staatsanleihen ausgebaut, da die Renditen hoch genug erscheinen, um ein potenziell negatives Szenario abzufedern.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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