
Wochenkommentar: Der Energiepreisdeckel kommt
Der STOXX Europe 600 und der S&P 500 signalisieren, dass sich die Aktienmärkte in Europa und in den USA nach den Verlusten im August stabilisieren.
Europa steht bei der Energieversorgung im kommenden Winter eine enorme Herausforderung bevor, die sich zu einer Wirtschaftskrise auswachsen könnte. Am Montag der vergangenen Woche sind die Gaspreise um mehr als 30 % gestiegen, weil die Händler auf Russlands Entscheidung, die Hauptgaspipeline auf unbestimmte Zeit geschlossen zu lassen, reagiert haben.
Die Financial Times (FT) berichtete unter Bezugnahme auf Unterlagen der EU, die Europäische Kommission empfehle den Mitgliedstaaten, den Strompreis auf maximal 200 EUR/MWh. zu begrenzen. Der FT zufolge argumentiert die Kommission in ihrem Vorschlagsentwurf, auf diesem Niveau sei der Preis vermutlich immer noch hoch genug, um nicht als negativer Anreiz gegen Investitionen in neue Technologien, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, zu wirken.
Für den Markt war der vorgeschlagene Preisdeckel bei 200 EUR/MWh. eine Erleichterung, weil er Stromerzeuger weniger belastet als ursprünglich befürchtet. Deshalb führte die Information zum möglichen Preisdeckel bei den Aktien von europäischen Versorgern zu einer positiven Reaktion; sie entwickelten sich vergangene Woche rund 2 % besser als der europäische Gesamtmarkt.
Am anderen Ende des Spektrums verzeichnete der Energiesektor eine schlechtere Entwicklung als der Gesamtmarkt. Der Ölpreis ist seit Ende August gefallen. Dieser Rückgang liegt an der Sorge vor einer weltweiten konjunkturellen Abkühlung, die zu einer geringeren Nachfrage in Europa und in den USA führt; außerdem bremst Chinas Null-Covid-Strategie den Konsum des weltweit drittgrößten Rohölimporteurs.
Anleihen: Das Ziel lautet Inflationskontrolle
Bonitäts- oder Laufzeitrisiken sind im aktuellen Umfeld keine attraktiven Anlagen. Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint nach der jüngsten Zinserhöhung um 75 Basispunkte (Bp) entschlossen, das Tempo im aktuellen Zinssteigerungszyklus zu erhöhen, und kündigte bereits an, dass bis Ende 2022 weitere Zinserhöhungen notwendig sein werden, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Mit 9,1 % gegenüber dem Vorjahr erreichte die Teuerung in Europa im August ein neues Rekordhoch. Zudem verheißt der neuerliche Druck auf die Energiepreise nichts Gutes: Aktuell ist mit einer Lockerung nicht zu rechnen.
An den Märkten für Staatsanleihen hat die Angst vor einer langen Phase mit hoher Inflation vor dem Hintergrund einer hohen Volatilität bei den Energiepreisen dazu geführt, dass die Zinsen auf lang laufende europäische Staatsanleihen in den vergangenen Wochen gestiegen sind. In den kommenden Monaten dürften die erwarteten Zinserhöhungen der US-Fed und der EZB die Anleihemärkte weiter unter Druck setzen, während sich die Wirtschaftsindikatoren getrieben von steigenden Energiepreisen weiter verschlechtern dürften.
Bei Unternehmensanleihen mit Investmentgrade-Rating sind die Spreads (Risikoprämien) bei europäischen Titeln seit Mitte August vor dem Hintergrund wieder aufflammender Inflationssorgen stärker gestiegen als bei amerikanischen. Im Hochzinssegment sind die Spreads hingegen in den USA schneller gestiegen; getrieben von Rezessionsangst haben sie gegenüber europäischen Hochzinstiteln jetzt etwas aufgeholt.
Was unsere Vorliebe für qualitativ hochwertige Anleihesegmente betrifft, bleiben wir angesichts der attraktiven aktuellen Spreads und der Unterstützungsbereitschaft der EZB bei unserer Präferenz für Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer und für französische Staatsanleihen. Außerdem behalten wir angesichts einer historisch guten Bonität eine begrenzte Übergewichtung von europäischen Unternehmensanleihen bei. Innerhalb unserer Position in riskanteren, renditestärkeren Anleihesegmenten behalten wir eine neutrale Einstufung von Schwellenmarktanleihen und eine negative Einschätzung von Hochzinsanleihen, insbesondere europäischen Hochzinsanleihen bei.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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