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Wochenkommentar: Das Dilemma bei US-Staatsanleihen

 Wochenkommentar: Wechselbad der Gefühle

Die Verzinsung von Anleihen der europäischen Kernländer ist nach wie vor extrem niedrig. Dadurch haben Investoren an den Rentenmärkten zwei Probleme.

Erstens wird es in diesem Umfeld künftig ziemlich schwierig sein, akzeptable Erträge zu erzielen, bei Anleihen der höchsten Ratingklassen vermutlich sogar unmöglich. Dafür gibt es aber eine Lösung, nämlich das Eingehen höherer Ausfallrisiken, denn Investment-Grade-Hybridanleihen und vor allem Hochzinsunternehmensanleihen und Schwellenmarktanleihen bieten immer noch ganz anständige Erträge. Warum halten wir das höhere Ausfallrisiko für akzeptabel? Weil die Ausfallraten in den kommenden zwölf Monaten niedrig sein dürften – dank einer extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik, zunehmender Öffnungen nach den pandemiebedingten Einschränkungen und eines günstigen Marktumfelds für Anleiheemissionen. 

Das zweite Problem besteht darin, dass Euro-Anleihen keine nennenswerte Absicherung von Aktien- oder Anleiheportfolios bieten, wenn der Markt auf Risikovermeidung umschaltet, denn die Renditen haben nicht mehr ausreichend Platz nach unten, um zu fallen. Die Lösung könnten US-Staatsanleihen (Treasuries) sein, weil diese Papiere eine höhere Verzinsung aufweisen. Allerdings drohen bei US-Treasuries Verluste durch steigende Zinsen, stehen sie doch im Mittelpunkt des bei den Investoren momentan vorherrschenden Reflationsthemas (d. h. Steigerung von Wachstum und Inflation durch expansive Geld- und Fiskalpolitik). 

Auf die hohe Inflation, die in den USA am vergangenen Dienstag für den Monat März gemeldet wurde, haben die US-Zinsen nicht reagiert. Aber ein stärkerer Zinssteigerungsdruck lässt sich in den USA nicht ausschließen. Zumindest scheint die Stimmung der Investoren stark in diese Richtung zu tendieren. In einer aktuellen Kundenbefragung von JPMorgan prognostizierten 55 % der Teilnehmenden, die Zinsen auf 10-jährige US-Staatsanleihen würden in 12 Monaten über der Marke von 2 % liegen (nur 18 % sehen die Treasury-Rendite in 12 Monaten unter 1,75 %). Als Grund für eine höhere Inflation und höhere Zinsen verweisen solche Investoren nicht nur auf die ehrgeizigen Ausgabenpläne der Regierung Biden und die aufgestaute Nachfrage, sondern auch auf die steigenden Herstellerpreise.

Wir gehen nicht davon aus, dass die Inflation außer Kontrolle gerät, denn es gibt immer noch ausreichend ungenutzte Kapazitäten in der Wirtschaft, und höhere Herstellerpreise tragen meist nur zu einem kleinen Teil zu den Verbraucherpreisen bei. Wir sehen allerdings durchaus das Risiko, dass die Reflationsstimmung in Verbindung mit Inflationsschlagzeilen kurzfristig die Zinsen in den USA in die Höhe treiben könnten. Deshalb stocken wir unsere Position in US-Treasuries nicht auf, sondern behalten diesen Schritt vorerst als Ass im Ärmel.

Aktien: Bleiben Value-Titel gefragt?

Wie wir in den vergangenen vier bis fünf Monaten gesehen haben, feiert das Value Investing ein Comeback. Steigende Rohstoffpreise, Zinsen und Erwartungen in Bezug auf bevorstehende Öffnungen lieferten die perfekten Voraussetzungen für ein Revival der unterbewerteten und wenig beachteten Value-Aktien (vor allem in den Sektoren Finanzen und Energie). Doch für jeden Gewinner gibt es in der Regel auch einen Verlierer: Höhere Zinsen bedeuten, dass Investoren auch höhere Renditen verlangen, und das ist Gift für Wachstumsaktien. Dies gilt besonders für Wachstumsunternehmen, die sich noch am Beginn ihres Wachstumszyklus befinden und aktuell noch weder Gewinn noch freien Cashflow vorzuweisen haben.

Wird die Value-Rally weitergehen? Das kommt darauf an. Wenn die Zinssteigerungen primär von der Erwartung eines höheren realen Wachstums getrieben werden, dürften die Wachstumsaktien aufholen, weil ein höheres Umsatzwachstum und steigende Margen ein Gegengewicht zu den höheren Renditeforderungen der Investoren bilden. In letzter Zeit haben wir eine Sektorrotation erlebt, bei der die Investoren wieder in Technologieaktien eingestiegen sind. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Marktteilnehmer den Inflationsdruck als vorübergehend betrachten und die starke Outperformance von Value-Aktien bald ein Ende haben könnte. 

Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.

Foto: rarrarorro / Shutterstock.com