Wochenkommentar: Covid-19-Impfstoffe im Fokus

Die Aktienmärkte erlebten eine positive Woche mit Kurssteigerungen beim S&P 500 und beim STOXX Europe 600. Triebfeder der erfreulichen Entwicklung war Optimismus im Hinblick auf einen möglicherweise effektiven Impfstoff, der uns schon früher als erwartet eine Art von Normalität zurückbringen könnte. Zudem lieferte dies eine belastbare Grundlage für die Prognose einer starken konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Bevor aber ein Impfstoff zur Verfügung steht, leidet die westliche Welt momentan schwer unter der zweiten Corona-Infektionswelle, und der Ausblick für die kommenden Wintermonate ist besorgniserregend. Wir sollten in den kommenden Monaten mit einem erheblichen Druck auf die westlichen Volkswirtschaften rechnen. In diesem von Hoffnung und Angst geprägten Umfeld favorisieren wir eine neutrale Aktien-Positionierung.
Anfang der vergangenen Woche stiegen die Aktienmärkte weltweit, nachdem Pfizer und BioNTech gemeldet hatten, dass ihr Covid-19-Impfstoff in einer Studie mit Zehntausenden von Freiwilligen eine Infektion in mehr als 90 % der Fälle verhindert hat. Dies ist der bislang vielversprechendste wissenschaftliche Fortschritt im Kampf gegen das Coronavirus. In den USA sind Aktien getrieben von dieser Nachricht gestiegen; sowohl der Dow Jones Industrial als auch der S&P 500 erreichten neue Intraday-Hochs. Innerhalb der Aktienmärkte fand eine Rotation weg von Stay-at-Home-Titeln und hin zu konjunktursensitiven Aktien statt.
Anleihen: Zentralbanken setzen expansive Geldpolitik fort
Die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen stieg vergangene Woche binnen drei Tagen von 0,75 % auf 0,96 %. Da sich die Anleihekurse umgekehrt zur Rendite entwickeln, löste dies bei manchen Investoren die Befürchtung aus, es könnte auf kurze Sicht zu einem Bärenmarkt für Anleihen kommen. Die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen testet in der Tat das obere Ende der aktuellen Handelsspanne (0,5–0,96 %); steigt sie über 1 %, könnten wir auch einen weiteren Anstieg der Renditen und umgekehrt einen weiteren Verfall der Preise erleben. Unserer Einschätzung nach steht aber kein Bärenmarkt bevor, denn die Corona-Pandemie spielt nach wie vor eine große Rolle.
Der Anstieg der Renditen auf Staatsanleihen (und andere Anleihesegmente) ist in unseren Augen nicht nachhaltig, weil die wieder schlimmer werdende Pandemie die bereits nachlassende Inflation weiter schwächen wird. Zudem verschärft sich die Coronavirus-Pandemie zu einem Zeitpunkt, an dem die Wirtschaftsdaten darauf hindeuten, dass die konjunkturelle Dynamik ohnehin bereits nachgelassen haben könnte. Zudem werden die Zentralbanken schnell auf so eine Entwicklung reagieren, sodass eine Verkaufswelle bei Anleihen von kurzer Dauer sein wird.
Für die Verkäufe der vergangenen Woche gibt es vor allem drei Gründe: 1. nach der US-Wahl die Hoffnung auf ein fiskalpolitisches Konjunkturpaket, 2. Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung, die zu Spekulationen über eine vorzeitige Rückkehr zur Normalität geführt haben, und 3. Zentralbanken, die offenbar kein Interesse an negativen Zinsen haben.
Alle drei Gründe ignorieren jedoch die Tatsache, dass sich die Pandemie gerade wieder verschärft, was die Inflation dämpft. Dabei hatte die demografische Entwicklung sowohl die Inflation als auch die Renditen langfristig bereits gedrückt. Dann kam die Pandemie und veränderte das Ausgabe- und Sparverhalten, führte zu einer langsamen Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation und zu langfristig niedrig bleibenden Leitzinsen.
Unterdessen weiteten manche Zentralbanken (in Australien und Großbritannien) ihre geldpolitische Lockerung massiv aus – zum Teil, indem sie mehr Anleihen kauften. Im Allgemeinen rechnen wir damit, dass die Zentralbanken ihre Niedrig- oder Nullzinspolitik fortsetzen, auf die langfristige Finanzierung des Finanzsektors achten und ihre Anleihekäufe im aktuellen Umfang fortsetzen oder sogar noch weiter ausweiten.
Inmitten der allgemeinen Euphorie auf dem US-Markt, die auch die Renditen auf Europas Staatsanleihen steigen ließ, blieben die Inflationsdaten in Europa unverändert: Sie liegen nach wie vor weit unter dem Inflationsziel der EZB, ein Phänomen, das sich jetzt schon seit drei Monaten negativ auswirkt...
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
Foto: Kurt Kleemann / Shutterstock.com