
Wochenkommentar: China lockert die Corona-Politik
Chinas Politiker haben vergangene Woche die Corona-Regeln weiter gelockert und damit bei den Investoren die Hoffnung auf eine Erholung des Wirtschaftswachstums geweckt. Unterdessen ist in den Industrieländern die Unsicherheit im Hinblick auf die Geldpolitik in den USA wieder in den Mittelpunkt gerückt.
Nach der Euphorie der Vorwoche sind an den US-Aktienmärkten vergangene Woche tatsächlich wieder Zweifel aufgekommen. Die Woche begann mit einem deutlichen Rückgang der amerikanischen Aktienindizes, weil die Investoren befürchteten, die US-Notenbank Fed könnte angesichts des anhaltenden Lohndrucks die Zinsen aggressiver anheben als von den Märkten erwartet.
Alles in allem sind die Märkte in der vergangenen Woche einen Schritt zurückgegangen, wobei sich die Aktienindizes in Schwellenländern und Europa seit Ende der Vorwoche etwas besser entwickelten als die Indizes in den USA. Insbesondere die chinesischen Aktienmärkte verzeichneten eine Outperformance: Sowohl der Hang Seng als auch der MSCI China schlugen sich besser als viele andere.
Anleihen: Wie tief können die Renditen fallen?
Die Renditen sind seit den Höchstwerten im Oktober um mehr als 0,5 % gefallen, weil bei der Inflation endlich eine Trendwende eingesetzt hat – selbst in Europa. Die in dieser Woche anstehenden Notenbanksitzungen in Europa (EZB) und in den USA (Fed) werden Aufschluss darüber geben, wie überzeugt die Geldpolitiker von ihrem Kurs sind.
Solange beim Wirtschaftswachstum und am Arbeitsmarkt nicht ausreichend Anzeichen für eine Abkühlung zu sehen sind, werden sich die Notenbanker gezwungen sehen, ihre Zinserhöhungen fortzusetzen, wenn auch nicht mehr so schnell wie bisher. Nur wenn die Inflation an sich schneller fallen sollte, könnten die Zentralbanken im Zinserhöhungszyklus eine Pause einlegen, ohne ihrer Glaubwürdigkeit zu schaden.
Bei den Zinsanhebungen vom Gas zu gehen erscheint schon allein deshalb sinnvoll, weil die Zinsen bereits deutlich erhöht worden sind. Aber das Wirtschaftswachstum ist selbst in Europa stärker als erwartet, weil viele Konsumenten lieber erst ihre Ersparnisse aus der Corona-Zeit aufbrauchen, bevor sie ihre Ausgaben zurückfahren. Bei der aktuellen Dynamik könnten diese zusätzlichen Ersparnisse bis zum Sommer reichen, sodass das von uns prognostizierte Ende der Zinserhöhungen nach dem ersten Quartal 2023 eher zu früh ist als zu spät.
Für Anleiheinvestoren bringen weitere Zinserhöhungen zwei Folgen mit sich. Einerseits gilt: Höhere Zinsen auf Liquidität machen Anleihen weniger attraktiv und lassen die Renditen steigen, insbesondere bei kürzeren Laufzeiten. Andererseits lassen ein höheres Rezessionsrisiko und eine niedrigere Inflation die Renditen sinken, insbesondere bei längeren Laufzeiten.
Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, dass der Erwartung weiterer Zinserhöhungen im ersten Halbjahr 2023 die Erwartung von Zinssenkungen in der Zeit danach entgegensteht. Dadurch haben Anleihen mit längerer Laufzeit noch Spielraum für einen weiteren Rückgang der Renditen – selbst wenn die Zentralbanken Anfang des nächsten Jahres noch mehr tun müssen als wir aktuell erwarten.
Allerdings sollten sich die Investoren nicht wundern, wenn der Großteil des Renditerückgangs inzwischen hinter uns liegt. In Europa liegen die Renditen auf 10-jährige Anleihen wieder unter der erwarteten Inflation für die nächsten 10 Jahre und unter dem Zinsniveau, das die EZB für die nächsten paar Jahre erwartet. Wenn die Inflation gebannt und die Renditen noch einmal über einen längeren Zeitraum niedriger sein sollen, muss wohl mehr kommen als nur eine leichte Rezession. Das verhieße dann jedoch nichts Gutes für die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen, die in den vergangenen Monaten gleichlaufend mit den Renditen gefallen sind.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
Foto: denisismagilov / Adobe Stock