
Wochenkommentar: Arbeitsmarktdaten weisen den Weg
Die Aktienmärkte konnten vergangene Woche erneut eine positive Wertentwicklung verzeichnen. Die Marktstimmung bleibt somit weiterhin gut. Das wichtigste Ereignis der letzten Wochen stellte das Fed-Treffen im amerikanischen Jackson Hole dar, über welches wir bereits letzten Montag berichteten.
Dort gab US-Notenbankchef Jerome Powell bekannt, dass die Fed dieses Jahr damit beginnen könnte, ihre Anleihekäufe zu reduzieren (Tapering), da sich die US-Wirtschaft von den Folgen der Pandemie erholt. Mit Zinserhöhungen werde es die Fed jedoch nicht eilig haben, sagte Powell weiter. Im Hinblick auf das Beschäftigungsniveau mahnte er zur Vorsicht, und er bekräftigte die Botschaft der Fed, dass die aktuelle Inflation zum Teil auf Covid-19-bedingte Störungen in den Lieferketten zurückgehe und daher ein vorübergehendes Phänomen sei. Die Märkte ließen sich von der Rede nicht beirren, und so erreichten amerikanische Aktien ein neues Rekordhoch.
Der Markt verfolgte vergangene Woche unter anderem die Arbeitsmarktberichte. Den Anfang machte am Mittwoch der ADP-Beschäftigungsbericht, der darauf hindeutet, dass US-Unternehmen im August weniger Arbeitsplätze geschaffen haben als erwartet. Dies lag vor allem am neuerlichen Anstieg der Corona-Fallzahlen, die dazu geführt haben, dass weniger Personal neu eingestellt wurde.
Die meisten Neueinstellungen verzeichneten der Freizeitsektor sowie das Gastgewerbe. Dies ist, hinsichtlich des in den Sektoren vorherrschenden Personalmangels, als positives Zeichen zu deuten. Nach dem ADP-Bericht folgte am Freitagnachmittag wie üblich der Beschäftigungsbericht des US-Arbeitsministeriums für die US-Wirtschaft ohne den Agrarsektor (Nonfarm Payrolls Report). Auch er verdeutlicht eine Entschleunigung am Arbeitsmarkt, so wurden weniger neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen als von Analysten erwartet. Dadurch könnte die amerikanische Notenbank sich mehr Zeit lassen bei der bevorstehenden Zinswende. Die Aktienmärkte reagierten positiv auf diese Entwicklung.
Chinesische Aktien verzeichneten eine Erholung, wobei die Volatilität hoch geblieben ist. Während die jüngsten regulatorischen Maßnahmen notwendig erscheinen und vielleicht sogar überfällig waren, bleibt Chinas langfristige Wachstumsstory attraktiv. Nichtsdestotrotz dezimierte das jüngste Durchgreifen der Regierung in Peking den Gesamtwert des chinesischen Aktienmarkts seit Jahresbeginn um mehrere Billionen US-Dollar. Wir bleiben bei chinesischen Aktien aktuell konservativ, da die Marktstimmung von den (teilweise) unvorhersehbaren Maßnahmen der chinesischen Behörden abhängt.
Anleihen: Nullzins auf Unternehmensanleihen – fällt die letzte Bastion?
Als die Rendite auf risikolose Staatsanleihen vor einigen Jahren auf Null fiel, bauten viele Investoren auf Unternehmensanleihen als risikoarme Grundlage ihrer Portfolios.
Unternehmensanleihen sollen das mit Aktien und alternativen Investments eingegangene Risiko ausgleichen und gleichzeitig ein gewisses Einkommen garantieren. Doch im August fiel die durchschnittliche Rendite auf Unternehmensanleihen in Europa auf das neue Allzeittief von 0,1 %, da sowohl der risikolose Zins auf deutsche Staatsanleihen als auch der Risikoaufschlag auf Unternehmensanleihen weiter fielen.
Die Renditen auf deutsche Staatsanleihen sind in den vergangenen Wochen gestiegen, weil die Öffnungen nach den pandemiebedingten Schließungen die Inflation in Europa vorübergehend steigen ließen. Dennoch erzielen bei rund der Hälfte aller Unternehmensanleihen die Emittenten und nicht die Investoren einen Gewinn. Viele institutionelle Investoren haben keine andere Wahl, als diesen „Deal“ zu akzeptieren, weil ihnen kein Investment in risikoreichere Anlagen erlaubt ist und für Sichteinlagen bei Banken zunehmend Zinsen bezahlen müssen. Für Investoren, denen es nach wie vor gelingt, Negativzinsen auf Liquidität zu umgehen, sind Unternehmensanleihen immer weniger interessant, auch wenn es sich als schwierig erweist, Alternativen ausfindig zu machen. Für jene Investoren welche bei der Verzinsung nicht unter Null gehen möchten, bleiben vor allem Staatsanleihen der Peripherieländer sowie das Segment der höherrentierlichen Unternehmensanleihen.
Ebenfalls eine Option sind Anleihen mit sehr langen Laufzeiten. Diese Anleihen sind zwar anfälliger für steigende Zinsniveaus, jedoch könnte dieses Risiko für den Moment als akzeptabel eingestuft werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins in den vergangenen drei Jahren bei -0,5 % belassen. Dies könnte der Tiefststand bleiben, wenn selbst die Pandemie für die Notenbank nicht Grund genug war, diesen weiter Abzusenken.
Das aktuelle Renditeniveau könnte noch bis mindestens ins Jahr 2022 hinein bestehen bleiben, jedoch sind die Risiken deutlich nach oben verschoben. Dass wir längere Zeit noch deutlich niedrigere Zinsen erleben, erscheint ein sehr unwahrscheinliches Nebenszenario zu sein. Da erscheint es schon wahrscheinlicher, dass die risikolosen Zinsen langsam wieder in Richtung des positiven Bereichs steigen. Insbesondere eine dauerhafte Rückkehr der Inflation könnte so ein Risikoszenario auslösen, ähnlich wie wir es bereits im ersten Halbjahr 2021 gesehen haben.
In diesem Szenario würden die Anleihekurse fallen. Das wäre ein kurzfristiger Rückschlag für die Investoren. Sie hätten aber auch die Chance, ihren Cashflow zu höheren, positiven Renditen zu reinvestieren, was langfristig die Performance der Anleiheportfolios bestimmt. Deshalb können vor allem Pensionsfonds und Buy-and-Hold-Investoren nicht warten, bis die Anleihezinsen endlich wieder steigen.
Der vollständige Marktbericht steht unseren Kunden wöchentlich zur Verfügung.
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