
Wochenkommentar: America first! Doch Investoren schauen nach Europa
Die globalen Aktienmärkte zeigten sich in der zurückliegenden Woche volatil. Spannungen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelensky über ein Mineralienabkommen sowie Hilfs- und Friedensgespräche verunsicherten Anleger und europäische Politiker. Trumps Aussetzung der Hilfe für die Ukraine erhöhte den Druck auf die NATO-Verbündeten.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte daraufhin eine massive europäische Erhöhung der Verteidigungsausgaben an und signalisierte damit einen mutigen Schritt der EU hin zu mehr Eigenständigkeit. Der Vorstoß zur Aufrüstung Europas macht die Verteidigung zu einer dringenden Priorität. Diese Dynamik führte zu einem starken Anstieg der europäischen Verteidigungsausgaben. Darüber hinaus plant Deutschland die Einrichtung eines 500-Milliarden-Euro-Fonds zur Modernisierung seiner Infrastruktur, wovon der Teilsektor Baustoffe profitiert. Dies war für den deutschen Aktienmarkt insgesamt besonders förderlich.
Grundstoffwerte, Baustoffwerte, Industriewerte und europäische Finanzwerte führten die Marktbewegung an. Umgekehrt waren insbesondere Energie und europäische Immobilien, aber auch Informationstechnologie und US-Finanzwerte insgesamt schwach.
In diesem Zusammenhang sind erhebliche geografische Unterschiede in der Performance festzustellen. Insbesondere die europäischen Aktienmärkte entwickeln sich gut, gefolgt von den Schwellenländern. In der Zwischenzeit sind die US-Aktienmärkte, auch aufgrund eines schwächeren US-Dollars, in letzter Zeit zurückgefallen. Die US-Indizes schwankten unter Trumps isolationistischem Ansatz und den verschiedenen Zollankündigungen. Die Bedenken der Anleger hinsichtlich der möglichen Auswirkungen haben zugenommen.
Anleihen: Bund-Schockwelle
Deutschlands "Whatever it takes"-Moment erschütterte den europäischen Rentenmarkt. Die neue deutsche Regierung kündigte ein beispielloses dreigliedriges Wachstumspaket an, das die Aussichten für das deutsche Wachstum erheblich verändern könnte.
Der Plan sieht drei zentrale Hebel vor: 1) ein Infrastrukturfonds , 2) die Befreiung von Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP von der Schuldenbremse in Höhe von 500 Mrd. EUR und 3) die Möglichkeit für die deutschen Länder, Kredite bis zu einer Höhe von 0,35 % des BIP aufzunehmen (bisher Null). Die Märkte sprechen sich für eine schnelle Durchführung aus. Dies könnte kurzfristig zu einem größeren Angebot an Staatsanleihen führen. Deutschlands fiskalische Pläne haben weitreichende Auswirkungen über seine Grenzen hinaus und betreffen nicht nur den breiteren europäischen Markt für Staatsanleihen, sondern auch Japan, Australien und Neuseeland.
Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Einlagensatz um einen Viertelpunkt auf 2,5 % gesenkt. Die EZB deutete an, dass Zinssenkungen eine Pause erfahren könnten, da sich die Inflation abkühlt.
Auf der anderen Seite des Atlantiks stiegen die Renditen der US-Staatsanleihen moderat auf 4,3 % und setzten ihren jüngsten Aufwärtstrend inmitten der anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit Zöllen und Löhnen fort.
In diesem extrem volatilen Markt zeigten sich die europäischen Kreditrisikoaufschläge widerstandsfähig gegenüber der Entwicklung bei Bundesanleihen und verringerten sich um 6 Basispunkte (Bp) auf 86 Bp, den niedrigsten Stand seit 2021.
Europäische Hochzinsanleihen verengten sich um 15 Basispunkte auf 271 Basispunkte, den niedrigsten Stand seit 2018, was eine noch geringere Empfindlichkeit gegenüber einem möglichen Anstieg der deutschen Schulden zeigt. US-Hochzinsanleihen verengten sich nach einer Ausweitung Ende Februar um 10 Basispunkte auf 283 Basispunkte, liegen aber immer noch 25 Basispunkte über ihrem Tiefstand von 2025.
Deutschlands "fiskalische Bazooka" ist ein allgemein unterstützender Faktor für die Wirtschaft und die Unternehmen. Die drohenden Zölle bleiben ein erhebliches Risiko, das das Wachstum behindern könnte.
Trotz der attraktiven Renditen risikoreicherer Anleihen ist aufgrund der potenziellen Auswirkungen der geopolitischen Unsicherheit, steigender Zinsen und hoher Bewertungen Vorsicht geboten. Bevorzugt werden Anleihen höherer Qualität, die sich angesichts des begrenzten europäischen Wachstums wahrscheinlich gut entwickeln werden. Längere Laufzeiten in Europa sind nach wie vor attraktiv, aber angesichts der jüngsten Ankündigungen aus Deutschland wird eine vorsichtigere Vorgehensweise empfohlen.
Redaktionsschluss: freitags 10 Uhr