
Politische Risiken in Frankreich: Ein Déjà-vu für Anleger
Der französische Premierminister François Bayrou hat für den 8. September eine Vertrauensabstimmung über seine Regierung angekündigt. Diese Entscheidung ist eine Folge der Debatte über das hohe Haushaltsdefizit Frankreichs und hat erneut Bedenken über die Stabilität französischer Vermögenswerte ausgelöst. Bayrou hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Haushalt des Landes um mindestens 44 Milliarden Euro zu kürzen, um die hohe Staatsverschuldung Frankreichs von 114 Prozent des BIP in den Griff zu bekommen. Seine Bemühungen stoßen jedoch auf erheblichen politischen Widerstand. Anlegern kommt dieser Moment nur allzu bekannt vor: ein erneutes Echo der politischen Unsicherheit, die Frankreich schon lange plagt.
Seit der Ankündigung von Premierminister Bayrou zeigten die Finanzmärkte deutliche Reaktionen. Insbesondere französische Aktien entwickeln sich aktuell schlechter als der europäische Gesamtmarkt. Dabei kamen insbesondere die Kurse von Aktien aus dem Finanzsektor unter Druck.
Darüber hinaus sind die französischen Zinsen leicht gestiegen, insbesondere die Rendite 10-jähriger französischer Anleihen: auf 3,51 Prozent zum vergangenen Wochenende. Die Risikoprämie Frankreichs gegenüber Deutschland, gemessen als Risikoaufschlag zwischen den Renditen 10-jähriger französischer und deutscher Anleihen, stieg von 70 Basispunkten vor der Ankündigung auf 79 Basispunkte.
Ein Déjà-vu
Ähnliche Börsenreaktionen wie aktuell gab es im Juni 2024, als Präsident Emmanuel Macron als Reaktion auf das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament die Nationalversammlung auflöste.
Die politische Lage in Frankreich ist weiterhin instabil. Sie ist geprägt von Macrons Schwierigkeiten, nach den Parlamentswahlen im Juli 2024 einen Premierminister zu ernennen, vom Sturz der Regierung von Michel Barnier am 4. Dezember 2024 und von den Entwicklungen der vergangenen Tage. Diese Unsicherheit spiegelt sich in der unterdurchschnittlichen Wertentwicklung französischer Vermögenswerte wider.
Für die kommenden Tage werden drei Szenarien in Betracht gezogen:
- Das Parlament spricht dem Premierminister sein Vertrauen aus
Wenn Premierminister Bayrou das Vertrauen des Parlaments erhält, dürften sich französische Aktien erholen und die Risikoprämie könnte schnell wieder auf das Niveau von Mitte August zurückkehren. Angesichts der Reaktionen der Parteien erscheint dieses Szenario trotz der Verhandlungsbereitschaft des Premierministers unwahrscheinlich.
- Die Regierung stürzt und ein neuer Premierminister wird ernannt
In diesem Szenario ernennt Präsident Emmanuel Macron einen neuen Premierminister, um eine Regierung zu bilden. Französische Vermögenswerte könnten sich kurzfristig stabilisieren, werden jedoch kaum eine Wertaufholung schaffen. Derzeit halten wir dieses Szenario für das wahrscheinlichste.
- Die Regierung stürzt und die Nationalversammlung wird aufgelöst
Wenn die Regierung stürzt und Präsident Macron die Nationalversammlung auflöst, würde die Unsicherheit erheblich zunehmen. Französische Aktien und in geringerem Maße auch europäische Aktien würden unter Druck geraten. Die Risikoprämie für französische Staatsanleihen würde weiter steigen und das Niveau von 2024 übertreffen.
Anlagepolitik
Bislang hat das höhere politische Risiko in Frankreich nur zu einer moderat gestiegenen Volatilität geführt, die sich vornehmlich auf französische Vermögenswerte beschränkt. Allerdings zeigt der Rest Europas, zumindest in der Tendenz, eine ähnliche Entwicklung wie die französischen Vermögenswerte. Unsere Anlagepolitik bleibt unverändert. Wir behalten eine neutrale Position in Aktien und eine moderate Übergewichtung in festverzinslichen Wertpapieren bei, wobei wir hochwertige Anleihen bevorzugen. Wir halten weiterhin eine sanfte Landung der Weltwirtschaft, unterstützt durch die Zentralbanken, für das wahrscheinlichste Szenario – trotz der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten aufgrund des Handelskriegs.