
Marktkommentar: Deutscher Aktienmarkt unbeeindruckt vom Ampel-Aus
Die Ampelkoalition in Deutschland ist Geschichte. Am Mittwochabend führten Gespräche der Koalitionspartner zum endgültigen Zerwürfnis. In der Folge entließ Bundeskanzler Olaf Scholz Finanzminister Christian Lindner aus seinem Amt. In den kommenden Monaten muss der Bundeskanzler mit einer Minderheitsregierung agieren – ohne den bisherigen Koalitionspartner der Liberaldemokraten (FDP). Vorgezogene Neuwahlen scheinen eine fast beschlossene Sache.
Damit zerbricht die Koalition an einem wirtschaftspolitischen Richtungsstreit, der bereits seit Monaten die Stimmung zwischen den Regierungspartnern prägt. Dabei startete die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ im Jahr 2021 mit hohen Ambitionen, doch früh zeigten sich erste Spannungsrisse bei nur schwer überbrückbaren Differenzen in der Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Die Situation verschärfte sich, als das Bundesverfassungsgericht den Bundeshaushalt 2023 als verfassungswidrig einstufte und Einsparungen in Milliardenhöhe notwendig machte. In der Bevölkerung wurde Vertrauen unter anderem mit der Planung des sogenannten Heizungsgesetzes verspielt, welches große Unsicherheit bei der Umsetzung von Sanierungsvorhaben in Privathaushalten hinterlässt.
Wirtschaft hat Vertrauen verloren
Der Bruch der Regierungskoalition ist insbesondere im Kontext des zerrütteten Verhältnisses der Regierung mit der deutschen Wirtschaft zu sehen. Seit längerem wird der Richtungsstreit auf offener Bühne ausgetragen – wie zuletzt beim Arbeitgebertag im Oktober dieses Jahres, wo in Anwesenheit von Kanzler Scholz standorttreue Familienunternehmen mit Abwanderungstendenzen ins Ausland drohten.
Erst im Herbst setzten die großen Wirtschaftsforschungsinstitute die Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf null. Der deutsche Standort bleibt in einer langanhaltenden Stagnation gefangen. Der erwartete Aufschwung im verarbeitenden Gewerbe bleibt weiter aus. Dabei können die Probleme nicht ausschließlich auf globale Faktoren zurückgeführt werden. Hohe Energiepreise, fehlende Investitionen und die Abhängigkeit von China sind Themen, die mutige wirtschaftspolitische Weichenstellungen erfordern.
In ersten Reaktionen aus wirtschaftsnahen Organisationen wird der Bruch der Regierungskoalition als Chance gesehen, aus dem politischen Stillstand herauszufinden. Andernfalls drohen fortlaufende parteipolitische Manöver bis zur Bundestagswahl im September 2025.
Investitionen in die Zukunft
Vorschläge zur Überwindung der Wachstumsschwäche liegen auf dem Tisch. Im September veröffentlichte der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi ein Diskussionspapier zur „Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“. Darin skizziert er den globalen Wettbewerb um die Zukunftstechnologien und Wege, wie Europa in diesem Wettbewerb bestehen kann. Kurz zusammengefasst bedarf es in Ländern wie Deutschland massiver Investitionen in einen unabhängigen IT- und Technologiestandort. Doch Zeit scheinen insbesondere die Wirtschaftsvertreter der deutschen Bundesregierung nicht mehr geben zu wollen. Immer schärfer wird der globale Wettbewerb, nicht zuletzt aufgrund einer Rückkehr des Republikaners Donald Trump ins amerikanische Weiße Haus.
Internationale Faktoren prägen die deutsche Börse
An den internationalen Börsen scheint sich der deutsche Aktienindex DAX bereits seit langer Zeit gut zu behaupten. Mit einer Wertentwicklung von 15% seit Jahresbeginn zeigen sich Investoren zufrieden. Auch am Morgen nach dem Regierungsbruch notiert der Aktienindex fast unberührt im Plus. Doch Licht und Schatten prägen den Aktienmarkt. Seit Sommer bleibt der DAX in einer Seitwärtsbewegung. Insbesondere der Automobil- und Zulieferersektor zeigt erhebliche Kursschwächen. Kompensiert werden diese Verluste durch Gewinne im Finanzsektor, bei IT-, Telekommunikations- und Rüstungsunternehmen.
Deutsche Großunternehmen sind in ihren Produktions- und Absatzmärkten vielfach global aufgestellt. So führte der Wahlausgang in den USA in dieser Woche zu stärkeren Kursreaktionen als der Bruch der deutschen Bundesregierung. Viele kurstreibende Faktoren sind auf globaler Ebene zu suchen. Für Kapitalanleger gilt es in den kommenden Wochen zu bewerten, welche Unternehmen im Kontext der politischen Veränderungen in den USA, den angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen in China und geopolitischen Risiken gut aufgestellt sind. Europäische und deutsche Investoren sollten sich nicht vornehmlich an Ländergrenzen orientieren.
In unserer Aktienstrategie werden wir weiterhin einen sehr international orientierten Ansatz verfolgen, der auf die Marktposition und Wachstumschancen eines Unternehmens in seinem jeweiligen Sektor ausgerichtet ist. Dabei gehen wir mit einem optimistischen Ausblick für Kapitalanleger in die letzten Wochen des laufenden Jahres.