Javascript is required Geldpolitische Wende der US-Notenbank belastet die Märkte
Wochenkommentar: US-Märkte steigen auf Vor-Corona-Niveau

Geldpolitische Wende der US-Notenbank belastet die Märkte

Der Jahresbeginn hat sich für die Aktienmärkte als sehr schwankungsintensiv dargestellt.

In den USA, wo die Märkte um fast 10 % gefallen sind, hat es in den ersten 16 Handelstagen eines neuen Jahres noch nie einen so starken Rücksetzer gegeben. Der Dow-Jones-Index und der S&P-500-Index sind auf dem besten Weg, ihre schlechtesten Monate seit März 2020 zu erleben. Und der Nasdaq, der stark auf Technologiewerte ausgerichtet ist, steuert auf seinen größten Monatsverlust seit Oktober 2008 zu. Die europäischen Märkte und die Märkte der Schwellenländer waren weniger volatil, dennoch gibt es seit der laufenden Woche Ansteckungseffekte auf Märkte außerhalb der USA.

Insgesamt wurden Wachstumswerte („Growth-Titel“) stark getroffen. Dies liegt daran, dass Wachstumswerte empfindlicher auf höhere Zinsen reagieren, die die Fed eindeutig ankündigte. Value- und defensive Sektoren hingegen haben sich besser entwickelt. Die Unterschiede zwischen der Wertentwicklung von Wachstums- und Substanzwerten sind offensichtlich: Der Energiesektor hat seit Jahresbeginn eine positive Rendite von 16 % erzielt, während der Technologiesektor fast 13 % verloren hat.

Unserer Ansicht nach ist der deutliche Anstieg der Volatilität vor allem auf die veränderte Politik der US-Notenbank zurückzuführen, die den Kampf gegen die Inflation aufnimmt. Natürlich tragen auch andere Marktsorgen im Zusammenhang mit den geopolitischen Spannungen in der Ukraine und der anhaltenden Verbreitung der Omicron-Variante zur Unruhe der Märkte bei, allerdings in geringerem Maße.

Die Straffung der Fed ist der Hauptauslöser für die Nervosität der Märkte

Seit letztem Jahr hat die Fed deutlich signalisiert, dass eine straffere Geldpolitik bevorsteht. Aber die Dringlichkeit hat sich noch verstärkt. So stieg die Inflation in den USA im Dezember auf 7 % im Vergleich zum Vorjahr, und die Fed hatte bereits eingeräumt, dass die Inflation hartnäckiger ist als erwartet. 

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch stellte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell außerdem fest, dass die Sorgen seit Dezember zugenommen haben, da bei den Problemen in den globalen Lieferkette, die sich während der Pandemie entwickelt hatten, kaum Fortschritte erzielt wurden. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen in diesem Jahr viermal anheben wird. Der Markt befürchtet jedoch - und das Risiko wächst -, dass die Fed die Zinsen noch stärker anheben könnte. 

Schlussfolgerung für Anleger

Es ist klar, dass wir in eine neue wirtschaftliche Realität eingetreten sind, die von einer höheren Inflation und dem Beginn steigender Zinsen in den USA geprägt ist.  Dies geschieht in einer Zeit, in der das Wirtschaftswachstum noch immer über Trend liegt, auch wenn wir davon ausgehen, dass sich das Wachstum im nächsten Jahr verlangsamen wird. 

In Anbetracht dieser Aussichten haben wir im vergangenen Jahr damit begonnen, die Risiken in unserer Anlagestrategie zu verringern. So haben wir beispielsweise unsere Übergewichtung von risikoreichen Vermögenswerten wie Aktien verringert und gleichzeitig das Engagement in US-Zinssätzen im Anleiheportfolio reduziert. In jüngster Zeit haben wir unsere Präferenzen für den Aktiensektor in Richtung wertorientierterer Sektoren angepasst, indem wir beispielsweise unsere Gewichtung in den Sektoren Finanzwerte und Energie erhöht haben. Der Ausgang der geopolitischen Spannungen in der Ukraine lässt sich nur schwer vorhersagen, aber die möglichen Auswirkungen auf die Energiepreise, insbesondere in Europa, waren ein Grund für die Bevorzugung des Energiesektors.

Offenbar fällt es den Märkten schwer, sich von der langen Phase sehr niedriger Zinsen und gedämpfter Inflation zu verabschieden, auf die erhebliche fiskal- und geldpolitische Anreize folgten, um die Auswirkungen des Coronavirus zu überwinden. Der Markt muss sich nun auf diese neue Realität einstellen. Die Geschichte hat gezeigt, dass sich die Aktienmärkte weiter entwickeln können, wenn die Zinsen zu steigen beginnen, aber wir erwarten, dass dies mit einer erhöhten Volatilität einhergeht. Wir empfehlen daher weiterhin eine Übergewichtung von Aktien und eine Untergewichtung von festverzinslichen Wertpapieren.

Fokusthema IT-Sektor: Kurzfristiger Gegenwind und langfristiger Rückenwind

Die Corona-Pandemie hat sich erheblich auf den IT-Sektor ausgewirkt. Die Verbrauchernachfrage nach Computern, Spielehardware, Software und Geräten stieg enorm. Der ohnehin schon starke Digitalisierungstrend beschleunigte sich, und die Nachfrage nach Cloud-, Sicherheits- und anderen Produkten und Dienstleistungen, die sich auf den Aufenthalt zu Hause beziehen, stieg. Darüber hinaus führten Unterbrechungen der Lieferkette in der Halbleiterindustrie zu hohen Auftragsbeständen und einem zunehmenden Bedarf an Kapazitätserweiterungen. Infolgedessen erzielte der IT-Sektor über die Coronakrise hinweg eine deutlich überdurchschnittliche Wertentwicklung im Vergleich zum Gesamtmarkt. Da Anleger bereit waren, höhere Preise für IT-Aktien zu zahlen, stiegen die Bewertungen im IT-Sektor auf ein Niveau, das weit über dem vor der Corona-Krise lag.

Ende 2021 kam diese Entwicklung jedoch zum Stillstand. Als die US-Notenbank in den letzten Wochen eine restriktivere Haltung einnahm, verschlechterte sich die Stimmung gegenüber IT-Aktien erheblich. Dies wirft die Frage auf, was von IT-Aktien in den kommenden Quartalen und Jahren zu erwarten ist. Wie lange wird die Korrektur bei IT-Aktien und anderen Wachstumswerten anhalten? Und gefährdet diese Korrektur die positiven langfristigen Aussichten des IT-Sektors? 

Kurzfristiger starker Gegenwind

Wachstumsaktien, einschließlich IT-Aktien, hatten in den letzten Jahren enormen Rückenwind. Der  Optimismus der Anleger in Bezug auf das künftige Wachstumspotenzial der Unternehmen hat dazu geführt, dass viele Bewertungskennzahlen weit über ihren historischen Durchschnittswerten lagen. Doch nun beginnen die höheren Zinssätze die Einschätzung der Anleger über den aktuellen Barwert künftiger Erträge zu beeinflussen.

Neben der Zinswende der US-Notenbank und den steigenden langfristigen Zinssätzen könnten sich die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus negativ auf IT-Aktien auswirken. Die Pandemie scheint endemisch zu werden, und das Risiko strikter künftiger Abschottungsmaßnahmen schwindet schnell. Für IT-bezogene Unternehmen, die während der Pandemie erfolgreich waren, könnte die Zeit eines explosionsartigen Wachstums vorbei sein. Infolgedessen beginnt sich die IT-Landschaft zu verändern. Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht alle IT-bezogenen Wachstumsunternehmen die gleichen Wachstumsmerkmale aufweisen, sondern sich drei verschiedene Untergruppen ausmachen lassen:

1) Mega-Cap-Aktien: Aktien von Unternehmen mit einem soliden Gewinnwachstum, die als relativ sicher gelten. Derzeit lässt die Dynamik bei diesen Aktien nach. Dies ist vor allem auf den Anstieg der Zinssätze zurückzuführen, der einer der Gründe dafür ist, dass die Anleger in andere Marktsegmente abwandern. Darüber hinaus könnte das Risiko einer zunehmenden Kartellregulierung, die nach den diesjährigen US-Zwischenwahlen eingeführt werden könnte, den Appetit auf diese Aktien dämpfen.

2) Hyperwachstumsaktien: stark überbewertete Aktien von Unternehmen, die meist noch nicht rentabel sind. Diese Aktien haben sich in der ersten Phase der Pandemie sehr gut entwickelt, sind aber bereits stark gefallen. Die Dynamik dieser Aktien ist derzeit sehr schwach, und angesichts der fehlenden Erträge und der immer noch hohen Multiplikatoren scheint der Preisdruck noch lange nicht vorbei zu sein.

3) Die übrigen Aktien: Aktien von Unternehmen, die nicht extrem überbewertet sind und Gewinne erzielen. Diese Titel werden derzeit vom IT-Sektor im Allgemeinen nach unten gezogen, könnten aber attraktive Chancen bieten.

Da wir davon ausgehen, dass die langfristigen Zinsen im Jahr 2022 steigen werden, dürften die Bewertungen im IT-Sektor in diesem Jahr weiter unter Druck bleiben. Die Volatilität im Sektor wird voraussichtlich hoch bleiben. Insbesondere wachstumsstarke Aktien könnten in den kommenden Monaten mit weiterer Volatilität konfrontiert sein.

Unterstützung durch langfristigen Rückenwind

Obwohl wir aus dieser kurzfristigen Analyse keine allzu positiven Schlüsse ziehen können, dürfen wir nicht vergessen, dass der IT-Sektor weiterhin eine wesentliche Rolle bei einigen sehr starken zugrunde liegenden Megatrends spielen wird. Bei den Entwicklungen, die unter anderem Cloud-Computing, die zunehmende Bedeutung von Big Data, Robotik, Automatisierung und künstliche Intelligenz betreffen, spielt der Sektor eine entscheidende Rolle. Um die Nutzung solcher Anwendungen und Technologien zu ermöglichen, bleiben Smartphones, Tablets und Serverkapazitäten eine absolute Notwendigkeit. 

Dies führt zu einer stärkeren Nachfrage nach höherwertigen IT-bezogenen Produkten und Dienstleistungen. In der Zwischenzeit wird die Geschwindigkeit (schnelleres Internet, schnellere Computer) immer wichtiger und auch die Cybersicherheit muss auf ein höheres Niveau gebracht werden. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum in diesen Teilen des IT-Marktes weiterhin stark sein wird. Folglich gehen wir davon aus, dass das Gewinnwachstum im IT-Sektor weiterhin höher sein wird als in anderen Marktsegmenten, wie dies bereits seit mehreren Jahren der Fall ist.

Beibehaltung unserer neutralen Haltung gegenüber IT

Angesichts dieses Tauziehens zwischen Rücken- und Gegenwind behalten wir unsere neutrale Haltung gegenüber dem IT-Sektor bei. Wir gehen davon aus, dass die IT-Aktien ihren Weg zu normaleren Bewertungsniveaus fortsetzen werden. Wir glauben auch, dass die derzeitige "Rotation", bei der die Anleger von Wachstums- zu Substanzwerten wechseln, noch nicht vorbei ist. Dennoch glauben wir, dass der Mangel an Wachstumschancen in einigen anderen Marktsegmenten die Anleger letztlich wieder in den IT-Sektor (oder Teile davon) zurückführen wird, insbesondere wenn sich das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen beginnt (im Laufe dieses Jahres) und wenn sich die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen zu stabilisieren beginnen (im Laufe des Jahres 2023). 

Reinhard Pfingsten
Chief Investment Officer
Foto: ChiccoDodiFC / Shutterstock.com
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Für eine vollständige Risikoaufklärung sollten Anleger auch die Broschüre „Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen“ beachten, die durch die Bethmann Bank erhältlich ist.

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Die in dieser Publikation geäußerten Einschätzungen des globalen Anlagekomitees können einer Fehleinschätzung unterliegen, deren Umsetzung zu Vermögensverlusten führen können. Die genannten Chancen unterliegen immer dem Risiko, dass das chancenbegründende Ereignis gar nicht eintritt.

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Stand: 27. Januar 2022