Javascript is required

Kommentar zur US-Wahl: der Ausgang bleibt noch ungewiss

Wochenkommentar: US-Märkte steigen auf Vor-Corona-Niveau

Es hatte sich in den vergangenen Tagen bereits angedeutet: Der Ausgang der US-Präsidentschafts- und der Senatswahlen bleiben am Morgen nach dem Wahltag vorerst offen. Die hohe Wahlbeteiligung und der ungewöhnlich hohe Anteil an Briefwahlstimmen begründen diese Situation.

Der Wettlauf um die 270 Stimmen der Wahlmänner dauert an und gestaltet sich enger als viele Marktbeobachter erwartet hatten, insbesondere nachdem Donald Trump den Bundesstaat Florida für sich entscheiden konnte. Die Unsicherheit ist nach wie vor groß, da wichtige Swing-Staaten - vor allem Pennsylvania mit 20 Wahlmännerstimmen - die Auszählung noch nicht abgeschlossen haben. Folglich könnten sowohl Biden als auch Trump noch in der Lage sein, die für einen Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen erforderliche 270er-Marke der Wahlmännerstimmen zu erreichen. In einer Pressekonferenz hat Donald Trump bereits den Wahlausgang zu seinen Gunsten interpretiert. Er sprach von versuchtem Wahlbetrug und kündigte den Gang vor den Obersten Gerichtshof an.

Bei der Stimmenauszählung für die Senatssitze führen die Republikaner gegenüber den Demokraten, doch sind die Auszählungen noch nicht weit genug vorangeschritten, um über eine endgültige Zusammensetzung des Senats berichten zu können. Im Repräsentantenhaus scheinen die Demokraten nach den vorläufigen Ergebnissen ihre Mehrheit verteidigen zu können. Dies bedeutet zwangsläufig, dass die vielzitierte "blaue Welle" - bei der Joe Biden das Weiße Haus gewinnen und die Demokraten ebenso die Kontrolle über den US-Kongress übernehmen würden - weniger wahrscheinlich erscheint.


Wie geht es weiter?

In der jüngsten politischen Geschichte ist es mehrfach vorgekommen, dass wir am Tag nach der Wahl den Sieger nicht kannten. Im Jahr 2000 warteten wir mehr als einen Monat, bevor Al Gore seine Niederlage gegen George Bush eingestand. Da-mals war das Ergebnis knapp: Bush gewann 246 Wahlstimmen und Gore 250. Entscheidend war der Bundesstaat Florida mit 25 Wahlmännern. Aber auch hier war das Ergebnis so knapp, dass die Ergebnisse angefochten wurden, eine Neuauszählung erforderlich wurde und erst mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA am 12. Dezember ein Ergebnis erzielt wurde. Sollte das Ergebnis dieser Wahl zu knapp ausfallen, könnten wir also bis zum 8. Dezember - dem offiziellen Termin für die gerichtliche Beilegung von Streitigkeiten – warten müssen, um den 46. amerikanischen Präsidenten zu kennen.


Reaktion des Marktes

Die asiatischen Märkte haben über Nacht leicht zulegen können, während die US-Futures gefallen sind, seit Präsident Trump in seiner Pressekonferenz die Aussicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung schürte. Die europäischen Märkte haben etwas tiefer geöffnet. In anderen Anlageklassen kommt es zu einigen etwas deutlicheren Reaktionen. Währungen sind etwas volatiler, die Ölpreise steigen und die Renditen 10-jähriger US-Anleihen fallen. Solange es keinen klaren Sieger gibt, werden die Märkte höchstwahrscheinlich nervös bleiben.

Im Jahr 2000 dauerte die Unsicherheit bezüglich der US-Präsidentschaftswahlen mehr als einen Monat und löste eine Phase hoher Schwankungsintensität an den Kapitalmärkten aus. In dieser Zeit fiel der US-Aktienmarkt um 8%, bevor er einen Teil des verlorenen Bodens wieder gutmachen konnte. Doch der historische Vergleich hinkt, da wir damals das Ende der Dotcom-Blase erlebten. Dieses Mal könnten Konjunkturmeldungen, Nachrichten über die Entwicklung der Corona-Pandemie, sowie Fortschritte bei der Zulassung eines Impfstoffs in den kommenden Tagen und Wochen ebenfalls auf die Märkte einwirken.

Sobald mehr Klarheit über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen herrscht, werden wir einen zusätzlichen Marktkommentar über mögliche Folgen des Wahlergebnisses veröffentlichen.


Reinhard Pfingsten,

Chief Investment Officer, Bethmann Bank

Frankfurt am Main, 4. November 2020


Foto: Christian Carollo / Shutterstock.com