
Deutschlands Chancen liegen in einer Zwei-Parteien-Koalition
Deutschland hat gewählt und sich für einen Regierungswechsel entschieden. Mit dem Wahlsieg der christdemokratischen CDU/CSU verbindet sich die Hoffnung auf neue wirtschaftspolitische Impulse. Die gute Wertentwicklung des deutschen Aktienmarktes bleibt hingegen von externen Faktoren geprägt. In der Innenpolitik braucht Deutschland eine Überwindung des politischen und wirtschaftlichen Stillstandes, um den Aktienmarkt weiter nachhaltig zu stützen.
Der Sieg der Christdemokraten rund um Friedrich Merz war lange erwartet worden. Doch die nun beginnenden Koalitionsverhandlungen werden schwierig – zu sehr haben sich die Parteien in den letzten Jahren auseinandergelebt. Eine große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD erscheint am wahrscheinlichsten.
Die Wahl hat Handlungsspielräume verbessert
Im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode, kann eine zukünftige Regierung durch eine Zwei-Parteien-Koalition gebildet werden. Je nach personeller Neuaufstellung der Parteien, mag die Konsensfindung hierdurch ein stückweit leichter geworden sein. Dennoch ermöglichen die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag weiterhin eine Sperrminorität der Oppositionsparteien, wodurch eine in Erwägung gezogene Reform der Schuldenbremse verhindert werden könnte. Beherzigte Reformen werden schwierig.
Von der politischen Leitlinie einer „Politik der kleinen Schritte“, wie sie Angela Merkel geprägt hat, distanziert sich Friedrich Merz seit Übernahme des Parteivorsitzes der CDU im Jahr 2022. Doch das Wahlergebnis vom Sonntag begrenzt die Möglichkeiten für einen großen Wurf. Wirtschaftsfördernde Maßnahmen sind insbesondere durch moderate Steuersenkungen, kleinere Arbeitsmarktreformen, Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten und höhere Militärausgaben zu erwarten. Das Stimulierungspotenzial solcher Maßnahmen wird lediglich auf 0,2 bis 0,4 % des jährlichen Bruttoinlandprodukts geschätzt.
Aktienmärkte laufen der Innenpolitik voraus
An der Börse erklimmt der deutsche Aktienindex DAX ein Allzeithoch nach dem nächsten. Doch der Einfluss der Bundestagswahl auf den bisherigen Marktverlauf sollte nicht überschätzt werden. Zuletzt führten externe Faktoren zu einem Rückfluss internationaler Gelder in den deutschen Aktienmarkt, nachdem mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs drei Jahre lang Anlagegelder aus der Eurozone abgeflossen waren. Zum Einen stützt die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine und einen Wiederaufbau des Landes die Märkte. Zum Anderen liebäugelt der Markt mit einer konjunkturellen Stabilisierung in China, die auch der deutschen Exportindustrie zugutekommen würde. Doch Fragezeichen bleiben.
Deutschland muss seine Rolle in Europa stärken
Mit Blick auf die kommenden Monate ließe sich die Zuversicht der Kapitalmärkte auf zweierlei Wegen verbessern: (1.) ein Erstarken politischer Handlungskraft in der EU, sowie (2.) wirtschaftspolitische Strukturreformen.
Dabei kommt der zukünftigen deutschen Regierung eine wichtige Rolle zu. Während das Verhältnis von Olaf Scholz und Emmanuel Macron bekanntlich als schwierig galt, braucht es einen starken deutsch-französischen Schulterschluss. Drohende Konfrontationen mit der neuen Trump-Administration verlangen – sowohl bei wirtschaftlichen als auch militärischen Themen – einheitliche europäische Antworten. Friedrich Merz hat diese Themen bereits am Wahlabend hoch priorisiert.
Bei wirtschaftspolitischen Strukturreformen muss dem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit begegnet werden. Der finanzpolitische Spielraum für Reformen ist begrenzt. Die Diskussion der nächsten Wochen wird sich um eine Anhebung der im deutschen Grundgesetz verankerten Schuldenbremse drehen. Dabei treffen bei CDU/CSU und SPD sehr unterschiedliche Vorstellungen zur Handhabung der Schuldenbremse und Verwendung der Mittel aufeinander.
Rentenmarkt schaut nervös auf Deutschland
Die Einstufung der Bonität Deutschlands auf dem höchsten Niveau von „AAA“ ist weiterhin nicht gefährdet und wurde im Januar durch die Ratingagentur S&P Global bestätigt. Und dennoch wurde Deutschland angesichts der wirtschaftlichen Stagnation und politischen Krise zuletzt kritischer gesehen. Das Länderrisiko wird am Anleihemarkt höher bepreist, wodurch zukünftige Kreditaufnahme teurer wird. Während manche Kommentatoren die Lösung vieler Probleme in einer Anhebung der Schuldenbremse sehen, befürchten die Rentenmärkte einen über die kommenden Jahre wachsenden Schuldendienst der Bundesrepublik. Der Rentenmarkt schaut nervös auf die bevorstehenden Koalitionsgespräche. Im Falle einer Reform der Schuldenbremse, wird er kritisch auf die Mittelverwendung schauen – Mittel, die zwingend für zukünftiges Wirtschaftswachstum genutzt werden müssen.
Das Handeln entscheidet
Seit Monaten kehren internationale Anlagegelder langsam nach Europa zurück. Die Bundestagswahl in Deutschland kann diesen Trend weiter festigen. Der christdemokratische Wahlsieger Friedrich Merz hat die Wirtschaft ins Zentrum seines Wahlprogramms gerückt. Im Gegensatz zur bisherigen Ampelkoalition unter Kanzler Scholz dürfte Merz eine Zweiparteienkoalition anführen, was die politische Stabilität verbessert.
Um den deutschen und europäischen Kapitalmärkten innenpolitisch neue Impulse zu geben, braucht es hingegen langfristiger Strukturreformen. Trotz der soliden Haushaltslage Deutschlands scheint es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu sein, wirtschaftspolitische Durchbrüche im Koalitionsvertrag zu verankern. Ausgabenbegrenzungen und Prioritätensetzung stehen im Wege. Der deutsche Wahlausgang bleibt vorerst eine Randerscheinung für die internationalen Finanzmärkte – das Handeln entscheidet.
Steffen Kunkel, Chief Investment Strategist