
Von der Inflation zur Rezession – wo stehen wir?
Eine mögliche Rezession in den USA deutet sich auf den Märkten an. Wir empfehlen mit Blick auf eine mögliche Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds weiterhin eine untergewichtete Positionierung bei Aktien und eine neutrale Positionierung bei Anleihen.
- Es ist nach wie vor mit einer Rezession zu rechnen
- Die Unternehmensgewinne dürften sich weiter reduzieren
- Qualitativ hochwertige Anleihen bleiben attraktiv
- Die Verbraucherausgaben und das Beschäftigungswachstum in den USA sind auf Dauer nicht haltbar
Wir läuteten dieses Jahr mit einem Kapitalmarktausblick mit dem Titel „Von der Inflation zur Rezession“ ein. Wir gingen davon aus, dass die hartnäckig hohe Inflation, die sich länger hinzog als von den Zentralbanken erwartet, durch die Abfolge schneller Zinsanhebungen und die geldpolitische Straffung unter Kontrolle gebracht werden würde. Darüber hinaus nahmen wir an, dass die Maßnahmen der geldpolitischen Entscheidungsträger zu einer erheblichen Verlangsamung der Konjunktur führen würden. Dies war (und ist nach wie vor) das Basisszenario für die wirtschaftliche Entwicklung, dem unsere Anlagestrategie zugrunde liegt.
Europa befindet sich derzeit in einer milden Rezession und es ist mit einer weiteren Abschwächung zu rechnen. Wir hatten Anfang des Jahres befürchtet, dass es in Europa zu einer tieferen Rezession kommen würde. Doch dann fiel die europäische Energiekrise weniger schlimm aus als erwartet, sodass die Energiekosten unter anderem dank eines milden Winters überschaubar blieben. Und in den USA ist die Wirtschaft trotz der Zinsanhebungen der US-Notenbank (Fed) bisher stabil geblieben. Der US-Beschäftigungsmarkt ist weiterhin stark und die Wirtschaft sowie die Verbraucherausgaben wurden durch staatliche Unterstützung angekurbelt.
Die globale Wirtschaft ist derzeit in einer besseren Position, als wir vor sechs Monaten erwartet hatten. Wir sind dennoch der Meinung, dass die US-Wirtschaft sich einer Abschwächung nicht länger entziehen kann. Die Zinssteigerungen durch die Fed um ca. 5 % innerhalb eines Jahres dürften nicht ohne Folgen bleiben. Die meisten Zinsanhebungen fanden gegen Ende 2022 statt und in der Regel dauert es vier bis sechs Quartale, bis sich die Auswirkungen solcher Maßnahmen voll entfalten. Wir rechnen daher weiterhin damit, dass die US-Volkswirtschaft in der zweiten Jahreshälfte ins Stocken geraten und es im vierten Quartal zu einer konjunkturellen Abschwächung kommen wird.
Die Inflation ist zwar etwas eingedämpft, jedoch noch nicht auf dem gewünschten Niveau. Die Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelkosten) ist immer noch hoch. Wir gehen davon aus, dass die Fed und die Europäische Zentralbank in diesem Zinszyklus die Zinsen ein weiteres Mal anheben werden und auch danach die Tür für weitere Anhebungen offen lassen werden. Der Zielwert der Inflation liegt bei 2 %, und es dürfte ca. 18 Monate dauern, bis dieser erreicht ist.
Ausgehend von unseren Erwartungen eines sich verschlechternden Wirtschaftsumfelds, inklusive einer wirtschaftlichen Rezession und einer Gewinnrezession, behält das globale Investmentkomitee seine untergewichtete Positionierung bei Aktien und neutrale Positionierung bei Anleihen bei. Im Portfolio für festverzinsliche Anlagen wurde eine Verlängerung der Duration (Zinssensitivität) bei den hochwertigen europäischen Staatsanleihen vorgenommen.
Die Unternehmensgewinne dürften sich weiter verschlechtern
Das Gewinnwachstum hat sich seit dem ersten Quartal 2023 verlangsamt. Wir gehen vor dem Hintergrund unserer Rezessionserwartungen von einer deutlichen Verschlechterung der Gewinndynamik aus. Ein erstes Anzeichen dafür dürften die weniger positiven Unternehmensausblicke sein, die um die Ergebnisse für das zweite Quartal herum veröffentlicht werden dürften. Darüber hinaus könnten sich Probleme in China zusätzlich auf die Gewinne der europäischen Unternehmen auswirken.
Wir sehen keine Erholung bei den Gewinnen im zweiten Halbjahr. Während einer Rezession – auch wenn diese mild ausfällt – ist damit nicht zu rechnen. Wir gehen daher von einem Gewinnrückgang von 10 bis 20 % im Vorjahresvergleich aus.
Auf Grundlage der Stabilisierung durch die Fed und der Möglichkeit eines von den chinesischen Entscheidungsträgern verabschiedeten Konjunkturprogramms ziehen wir die Schwellenmärkte weiterhin den Industrieländern vor. Angesichts unserer Prognose einer Rezession behalten wir unsere leicht defensive Sektorpositionierung bei, wobei wir den Gesundheitssektor weiter bevorzugen. Dieser kann aufgrund der anhaltenden Nachfrage fast jedem wirtschaftlichen Umfeld trotzen, auch wenn er 2023 bisher nicht gut abgeschnitten hat. Auch im wachstumsorientierten IT-Sektor – in diesem Jahr bisher der Sektor mit der besten Wertentwicklung – sind wir übergewichtet.
Qualitativ hochwertige Anleihen bleiben weiter attraktiv
Die Anleiherenditen sind weiterhin zwei entgegengesetzt wirkenden Kräften ausgesetzt: einer hartnäckigen Inflation, die die Renditen nach oben treibt, und der Angst vor einer Rezession, die die Renditen nach unten drückt. Wir empfehlen daher nach wie vor eine neutrale Positionierung in den Anleihemärkten, wobei wir hochwertige Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen bevorzugen.
Die Verbraucherausgaben und das Beschäftigungswachstum in den USA sind auf Dauer nicht haltbar
Angesichts der Tatsache, dass die US-Wirtschaft den Erwartungen einer Rezession hartnäckig trotzt, ergibt sich die berechtigte Frage, ob es überhaupt zu einer Rezession kommen wird. Wir glauben schon, da die Faktoren, die die Resilienz (die Stärke bei den Verbraucherkrediten und im Beschäftigungswachstum) unterstützt haben, nicht nachhaltig sein dürften.
Die Auswirkungen der höheren Zinsniveaus dürften in den kommenden Monaten einen Abwärtsdruck auf die Verbraucherausgaben ausüben. Und wenn die Verbrauchernachfrage nachlässt und letztlich zurückgeht, wird auch das Beschäftigungswachstum in Mitleidenschaft gezogen. Dies ist im Grunde die Voraussetzung dafür, dass die Inflation endgültig unter Kontrolle gebracht werden kann. Wir glauben, dass ein Rückgang der Beschäftigung die Verbraucherausgaben und die Unternehmensgewinne beeinträchtigen wird, was zu einer Rezession führen dürfte. Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank ihre Straffung der Geldpolitik im ersten Quartal 2024 beenden und eine Zinssenkung durchführen wird.
Unsere Vermögensallokation (Untergewichtung bei Aktien und neutral bei Anleihen) entspricht unserem Ausblick. Wir suchen jedoch auch ständig nach Chancen, beispielsweise im IT-Sektor und bei qualitativ hochwertigen Anleihen.