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Konjunkturrisiken nehmen zu

Finanzmarkt
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Die steigende Inflation, Zinserhöhungen durch die Zentralbanken und Rezessionsängste haben die Märkte weltweit destabilisiert. Wir reduzieren das Risiko in den Aktien- und Anleiheportfolios, um für die kommende Entwicklung gewappnet zu sein.

Die erste Hälfte des Jahres 2022 liegt jetzt hinter uns und es wird immer klarer, dass es für Anleger auch bis Jahresende schwierig bleiben wird. Die post-pandemische Erholung wird durch die sehr hohe Inflation stark abgebremst. Die Zentralbanken haben begonnen, die Zinsen anzuheben und die Geldpolitik zu straffen.
 
Dabei bewegen sich die Zentralbanken auf einem schmalen Grat zwischen Inflationsbekämpfung und Stabilisierung der Konjunktur. Und so, wie eine derart hohe Inflation nicht erwartet worden war, kam auch der Krieg in der Ukraine ohne Vorwarnung. Der Krieg hat die Marktstimmung stark eingetrübt und die bereits hohen Energie- und Lebensmittelpreise noch weiter in die Höhe getrieben, während sich gleichzeitig Unsicherheit über Europa ausbreitete.
 
In der Welle der Zinssteigerungen weltweit steht die US-Notenbank (Fed) an vorderster Front der Zentralbanken. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell räumte kürzlich ein, dass die Zentralbank sicher nicht vorhabe, eine Rezession auszulösen, dass dies aber „durchaus geschehen könne“. Unserer Ansicht nach lässt sich eine Rezession wahrscheinlich vermeiden, obwohl dies im Endeffekt nur auf reine Semantik und die entsprechende Definition einer Rezession hinauslaufen dürfte. Das heißt, dass wir bis Ende 2023 von einem geringen Wachstum ausgehen. Da sich das Wachstum verlangsamt und die Zinsen steigen, geraten Unternehmen und Verbraucher weiter unter Druck. 
 
Die zusätzlich höheren Energiepreise und mögliche Engpässe in den Gaslieferungen stellen weitere wachstumsbelastende Faktoren dar. Ein Teil dieser trüben Aussichten wird jedoch durch die Ersparnisse der Haushalte und größeren Puffern in der Wirtschaft ausgeglichen, die unserer Ansicht nach einen länger anhaltenden, großen Abschwung abfangen dürften. In der zweiten Jahreshälfte von 2022 zeichnen sich darüber hinaus dank der Auflösung von Lieferkettenengpässen und der Erholung im Dienstleistungssektor einige unterstützende Faktoren ab. 
 
Angesichts der bedenklichen wirtschaftlichen Lage hat das Investmentkomitee bei seiner letzten Sitzung Maßnahmen zur Risikominderung und in Richtung einer defensiveren Positionierung des Portfolios ergriffen. In der Vermögensallokation wurden die Aktien von neutral auf untergewichtet reduziert und die Erlöse wurden zu den Barmitteln hinzugefügt. Die Anleiheallokation ist weiterhin etwas untergewichtet, doch auch hier wurden Schritte unternommen, Risiken zu mindern, indem zu gleichen Anteilen Hochzins- und Schwellenländeranleihen reduziert wurden. Auch diese Erlöse wurden den Barmitteln zugeführt. 

Der Ausblick für Aktien hat sich verschlechtert

Zu Jahresbeginn gingen wir davon aus, dass sich 2022 volatiler entwickeln würde als 2021. Wir hatten auch erwartet, dass mit der Wiederöffnung der Volkswirtschaften nach den Lockdowns die Konjunktur wieder an Dynamik gewinnen und die Inflation langsam wieder sinken würde. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine, die Beständigkeit der Inflation und die mittlerweile sehr entschlossenen Zentralbanken haben die Situation für die Finanzmärkte verändert. Bisher hielt sich dies die Waage mit einer robusten konjunkturellen Dynamik. Mittlerweile haben die Risiken deutlich zugenommen. Im Extremfall könnte Russland Gaslieferungen nach Europa komplett einstellen und damit eine tiefere Rezession auslösen. Trotz des bereits starken Rückgangs der Aktienmärkte sind wir der Ansicht, dass eine weitere Risikoverringerung angebracht ist. Steigende Rezessionsrisiken und Inflation belasten die Gewinnspannen der Unternehmen, dadurch dürfte das Gewinnwachstum weiter zurückgehen. Wir werden unsere Aktienallokation daher verringern, indem wir von neutral auf untergewichtet umstellen. 
 
Wir erweitern gleichzeitig die defensive Positionierung des Portfolios, indem wir unsere Positionen im Finanzsektor und bei den zyklischen Konsumgütern reduzieren und bei den Versorgern, Kommunikationsdiensten (insbesondere Telekommunikationsunternehmen) sowie dem Gesundheits- und dem industriellen Sektor vergrößern. Unsere zwei bevorzugten Sektoren sind der Gesundheitssektor und der Grundstoffsektor (beide übergewichtet). 
 
Wir favorisieren den Gesundheitssektor, da er Wachstum zu angemessenen Preisen bietet und gewisse rezessionssichere Merkmale aufweist. Der Grundstoffsektor wird aufgrund seiner Positionierung in Bezug auf Rohstoffpreise und die Preise für Sachwerte favorisiert, da ihm das eine positive Inflationsverbindung verleiht. 

Anleihemärkte von der steigenden Inflation betroffen

Die Anleiherenditen, die sich gegenläufig zu den Anleihepreisen bewegen, sind seit Anfang 2022 gestiegen. Nach Jahren mit Negativrenditen befinden sich die europäischen Kernstaatsanleihen wieder im positiven Bereich. Insbesondere die deutschen Bundesanleihen und französischen Staatsanleihen haben an Attraktivität gewonnen und bieten jetzt wesentlich bessere Renditen als Sparkonten. Trotzdem sind Anleihen als Anlageklasse den Auswirkungen der Inflation, die ihren Wert erodiert, ausgesetzt.
 
Wir haben entschieden, die derzeitige leicht untergewichtete Positionierung bei den Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating, die wir im April erhöht hatten, beizubehalten und die Positionierung bei den risikoreicheren Hochzins- und Schwellenländeranleihen zu verringern. Diese risikoreicheren Anleihesegmente sind ganz besonders anfällig für Wertverluste bei Konjunkturabschwüngen und steigenden US-Zinsen.

Fazit

Unsere Entscheidung, die Risiken in unseren Aktien- und Anleiheportfolios zu reduzieren, ist das Ergebnis unserer Analyse diverser Faktoren sowie der Tatsache der (vermutlich stärker als derzeit erwartet) steigenden Zinsen, der wirtschaftlichen Verlangsamung, des Krieges in Europa und des Potenzials für eine weitere Verschärfung der Energiesituation. Und auch wenn wir keine Rezession wie aus dem Lehrbuch erwarten, genügt jedoch das Risiko einer solchen Rezession, um die Finanzmärkte auf breiter Ebene zu verunsichern. Wir glauben daher, dass es besser ist, beim Eintritt in eine Baisse eine kleine Untergewichtung bei den Aktien aufzuweisen und die Bestände bei den risikoreicheren Anleihemarktsegmenten zu verringern.
 
Angesichts des fortdauernden Krieges in der Ukraine steigen die Ängste in Europa vor einer tatsächlichen Energiekrise weiter; die könnte eintreten, wenn Russland den europäischen Märkten vollständig das Gas abdrehen würde. Wir gehen jedoch davon aus, dass es nicht dazu kommen wird, schon weil dies nicht im finanziellen Interesse Russlands liegt. Dieses Szenario bleibt jedoch sicher als strategische Bedrohung bestehen, da Russland wahrscheinlich versuchen wird, diese Situation zum eigenen Vorteil auszuschöpfen. Und sie wird zwangsläufig mehr Auswirkungen auf Europa haben als auf die USA. 
 
Ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist die Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft, die bei nachlassenden Warenengpässen und der daraufhin sinkenden Inflation für Auftrieb sorgen könnte. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Anleiheportfolios wieder einen gewissen Puffer gegen volatile Aktienmärkte bieten. 

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