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Eine unbehagliche Reise: von der Inflation in eine Rezession

Finanzmarkt
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Nachdem die Inflationsrisiken durch Rezessionsängste verdrängt werden, hat die Bethmann Bank entschieden, einen Teil der Barmittel in Staatsanleihen anzulegen und die Untergewichtung bei Aktien zu verringern.
Rückblickend war dies ein für Anleger sehr schlechtes Jahr. Die Inflation lag höher als erwartet, hielt länger an als erwartet und verschärfte sich im Verlauf des Jahres – und führte zu gesteigerter Volatilität an den Märkten. Globale und US-Aktien verloren seit Jahresanfang fast 25 % und die europäischen Aktien ca. 17 %an Wert.

Die Zentralbanken weltweit haben den Kampf gegen die Inflation aufgenommen und heben nach und nach die Leitzinsen an, was jedoch die postpandemische Erholung zum Stillstand bringt. Die Inflation ist natürlich nicht der einzige Faktor für die Märkte – es gibt darüber hinaus noch den Krieg in der Ukraine und eine Energiekrise. 

Doch zurzeit gibt es Anzeichen dafür, dass der Markt sich weniger Sorgen wegen der Inflation, sondern mehr wegen einer Rezession macht. Dies deckt sich mit unserer Prognose einer leichten Rezession in den USA und einer stärkeren Rezession in Europa. 

Die Inflation bleibt eine Bedrohung

Das heißt jedoch nicht, dass die Inflation besiegt ist. Die Risiken bleiben und wir erwarten, dass sowohl die US-Notenbank (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen bis Ende dieses Jahres weiter anheben werden. Doch gibt es Anzeichen, dass der Kampf gegen die Inflation Früchte trägt. Und wir glauben, dass die Inflation in den nächsten Quartalen merklich nachlassen wird. Die Immobilienpreise, eine Schlüsselkomponente der Inflation, sind bereits rückläufig. Und da der Bedarf an langlebigen Gütern zurückgeht, fallen in den USA die Preise unter anderem für Gebrauchtwagen, Bekleidung und medizinische Erzeugnisse. Das Lohnwachstum und die Zahl unbesetzter Arbeitsstellen in den USA sind ebenfalls rückläufig. Beides signalisiert eine Abschwächung des starken US-Arbeitsmarktes. 

Wir gehen davon aus, dass die Zinssteigerungen zum Ende des Jahres abgeschlossen sein werden

Im Gegensatz zum Konsens geht unsere Prognose davon aus, dass die US-Leitzinsen Ende Dezember einen Höchststand von 4,5 % und die europäischen Leitzinsen einen Höchststand von 2 % erreichen werden. Wir sind der Auffassung, dass die FED und EZB zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich eine Pause einlegen werden, während sie sich mit den konjunkturellen Abschwächungen, die durch ihre Zinssteigerungen ausgelöst wurden, befassen. Unseren Erwartungen nach dürfte es in den USA in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 zu Zinssenkungen um 100 Basispunkte kommen.

Europäische Energiekrise weniger dramatisch

Die Energiesituation in Europa im kommenden Winter ist nicht einfach. Wir sind der Auffassung, dass Europa so gut wie irgend möglich auf die kommende Heizsaison vorbereitet ist. Die Preise für Erdgas sind weiter hoch, liegen jedoch unter ihren Höchstständen. Ein Rückgang im Bedarf, der steigende Anteil von erneuerbaren Energien, ein milder Winter, langfristige Verträge und eine höhere Versorgung könnten zu einem weiteren Rückgang der Energiepreise führen. Die europäische Kommission hat darüber hinaus Pläne zur Eindämmung der hohen Erdgaspreise angekündigt.
 
Vor diesem Hintergrund hat sich das Investmentkomitee entschieden, seine Positionierung zu verändern und einen Teil der Barmittel in Staatsanleihen und Aktien anzulegen. Die Gesamtvermögensallokation ist nun für Anleihen etwas übergewichtet (ausgehend von einer vorher leichten Untergewichtung), die Aktienpositionierung bleibt weiter untergewichtet, jedoch zu einem geringeren Grad, und die Barmittel bleiben übergewichtet.  

Aktien weiter unter Druck

In diesem Jahr gerieten die Aktien durch die höheren Zinsen und, wenn auch in geringerem Ausmaß, durch die Anpassung der Gewinnerwartungen unter Druck. Unsere Prognose, dass die Fed und die EZB die Zinssteigerungen zum Ende des Jahres beenden, bedeutet, dass die Zinsen zwar restriktiv bleiben werden, sich jedoch einer der stärksten Gegenwinde abschwächen wird. Darüber hinaus könnten sich Zinssenkungen in der zweiten Hälfte des Jahres für die Aktienmärkte als positiv herausstellen.
 
Mit unserem ersten Schritt in Richtung einer Verringerung unserer Untergewichtung führen wir unsere Käufe zu einem Zeitpunkt durch, an dem die Gewinne nach unten korrigiert wurden, die Bewertungen attraktiver geworden sind und die Anlegerstimmung extrem negativ ist. Die Ängste vor einer drohenden Rezession sind unserer Ansicht nach begründet, und die Auswirkungen auf die Gewinne haben sich in den Aktienkursen noch nicht vollständig niedergeschlagen. Aus diesem Grunde bleiben wir weiterhin (wenn auch geringer) untergewichtet.
 
Unsere regionalen und sektoralen Empfehlungen bleiben unverändert bestehen. Wir ziehen den US-Markt (leicht übergewichtet) dem europäischen Markt (leicht untergewichtet) weiter vor und nehmen bei den Schwellenländern eine neutrale Haltung ein. Bei den Sektoren ziehen wir das Gesundheitswesen und die nichtzyklischen Konsumgüter aufgrund ihrer Resilienz und defensiven Merkmale vor. 

Anleihen gewinnen an Attraktivität

Die Wechselwirkungen zwischen Inflations- und Rezessionsängsten lassen sich auch in den Anleihemärkten beobachten. Nachdem die Renditen monatelang unaufhaltsam gestiegen waren, begannen sie Anfang Oktober zu schwächeln und gingen innerhalb weniger Tage um 0,5 % zurück: danach stiegen sie wieder auf noch höhere Werte an. (Wenn Anleiherenditen steigen, fallen die Anleihepreise.)
 
Ein Renditehöchststand ist immer schwer festzulegen. Wir sind jedoch der Ansicht, dass der kurzzeitige Rückgang im Oktober ein Signal dafür ist, dass nun die Rezessionsrisiken beginnen, die Inflationsängste zu dominieren. Um zu diesem Wendepunkt zu kommen, muss die Inflation ihren Höhepunkt erreichen, was wir für die kommenden Monate erwarten.
  
In diesem Umfeld haben sichere Staatsanleihen, die 2 % oder mehr abwerfen, aufgrund ihrer Rendite, ihres geringen Risikos und ihrer Diversifizierungsvorteile an Attraktivität gewonnen. Und sie können auch wieder einen gewissen Portfolioschutz in einem schwierigen Umfeld bieten. 

Fazit

Wendepunkte kann man in der Regel erst rückblickend erkennen. Dennoch sind wir der Ansicht, dass es sowohl auf den Anleihe- als auch Aktienmärkten Anzeichen für das Erreichen eines Wendepunkts gibt. Die Inflation ist nicht mehr das dominierende Problem, und der Zeitpunkt, in dem die Zinsen ihren Höchststand erreicht haben werden, rückt näher.
 
In diesem Umfeld sind die steigenden Anleiherenditen, die unseren Erwartungen nach später auch wieder zurückgehen dürften, eine Chance, sich über dem Geldmarkt liegende Renditen zu sichern. Wir wissen auch, dass die Aktienmärkte in der Regel künftige Entwicklungen sechs bis neun Monate im Voraus einpreisen. Die Erwartung geringerer Zinssätze wird einige Unterstützung bieten, doch die Auswirkungen der kommenden Rezession auf die Gewinne werden diese Unterstützung aller Voraussicht nach überwiegen. Eine defensive Einstellung bei den Aktien ist daher sicherlich der richtige Ansatz.
 
Indem wir einen Teil unserer Barmittel jetzt anlegen, schaffen wir die Grundlage für einen opportunistischeren Ansatz zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die US-Volkswirtschaft und die Eurozone aus der konjunkturellen Abschwächung zum Wachstum zurückkehren und die Rezession überwinden. 
Gemessen durch die Indizes MSCI World, MSCI US und MSCI Europe in lokalen Währungen mit Stand vom 18. Oktober.

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