
Europawahlen und Parlamentswahlen in Frankreich: Die Rückkehr des politischen Risikos
Die Ergebnisse der Europawahlen am 9. Juni bestätigten die Erwartungen: Trotz eines zersplitterten Parlaments dürften die als pro-europäisch geltenden Parteien ihre Mehrheitsposition behalten. Die eigentliche politische Überraschung war die Entscheidung des französischen Präsidenten, vorgezogene Parlamentswahlen auszurufen. Seitdem versuchen die Finanzmärkte, die politische Unsicherheit, die mit Neuwahlen verbunden ist, einzupreisen.
Auswirkungen auf die Märkte
An den Aktienmärkten materialisiert sich diese Unsicherheit vor allem bei französischen Vermögenswerten, in geringerem Maße bei Vermögenswerten aus der Eurozone. Seit der Ankündigung von Präsident Macron ist der französische Aktienindex CAC 40 merklich gesunken. Die Märkte in den USA und in den Schwellenländern sind immun gegen diese Entwicklung und zeigen relative Stärke im Vergleich zu den europäischen Aktienmärkten.
An den Anleihemärkten blieb der französische 10-Jahres-Zinssatz relativ stabil, obwohl die Volatilität anstieg. Dennoch erhöhte sich die Risikoprämie für französische Staatsanleihen, gemessen an der Differenz zwischen dem französischen und dem deutschen 10-Jahres-Zinssatz. Diese liegt wieder auf einem Niveau wie bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2017 und veranschaulicht eine gestiegene Nervosität im Markt.
Politik- und Marktszenarien
Die politische Lage in Frankreich ist unbeständig. Zudem erhöht das Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen pro Wahlkreis das Fehlerrisiko der Umfragen bei der Hochrechnung der Anzahl der Sitze in der Nationalversammlung und schürt somit zusätzlich Unsicherheit.
Derzeit sind drei Szenarien mit potenziell unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Folgen denkbar:
- Sollten die bisherigen Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung bestätigt werden, würde die Wirtschaftspolitik wahrscheinlich unverändert bleiben und die Reduktion des Haushaltsdefizits würde nicht in Frage gestellt. In diesem Szenario würde sich das politische Risiko verringern und zu einer Erholung der französischen Aktienmärkte sowie einer niedrigeren Risikoprämie führen.
- Ein Sieg der Neuen Volksfront oder der Nationalen Sammlungsbewegung (Rassemblement National) könnte die Volatilität bei französischen und in geringerem Maße auch bei europäischen Vermögenswerten erhöhen.
- Ein gespaltenes Parlament dürfte die Anleger zwar kurzfristig beruhigen, doch könnte die wahrscheinliche politische Instabilität mittelfristig zu einer geringeren Wertentwicklung französischer Vermögenswerte führen.
Investitionspolitik
Unsere Anlagepolitik bleibt unverändert. Wir gewichten Aktien und Anleihen leicht über, da wir das Szenario einer sanften Landung der Weltwirtschaft, die von den Zentralbanken unterstützt wird, weiterhin für das wahrscheinlichste halten. Innerhalb der Aktienstrategie ziehen wir US-amerikanische Aktien europäischen Aktien vor.
Das Wiederaufleben des politischen Risikos ruft zwei Grundsätze des Investierens in Erinnerung:
- Die Schocks, die wir derzeit erleben, können in der Regel durch geografische und sektorale Diversifizierung abgefangen werden.
- Anleger bewegen sich seit fast zehn Jahren in einem Umfeld der Unsicherheit, geprägt durch Entwicklungen wie dem Brexit, dem Handelskrieg zwischen den USA und China sowie den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten. Die jüngste Geschichte lehrt uns, dass politische Unsicherheit zwar kurzfristig für Volatilität sorgt, die laufende Dynamik aber in der Regel nicht infrage stellt.