CIO Insights: Dear Mr. President?

Nur wenige Tage bleiben bis zu einem der spannendsten Ereignisse des Superwahljahres: den US-Wahlen 2024. Die Kandidaten Donald Trump und Kamala Harris stehen in einem politischen Wettlauf, und zumindest die zweite Kandidatin stellt eine Überraschung in diesem Wahlkampf dar, da sie erst nach dem Verzicht Joe Bidens auf die Kandidatur im Juli 2024 zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin gekürt worden ist. Dank digitaler Plattformen wie Polymarket bekommen wir in Echtzeit einen Einblick, welcher Kandidat in diesem Wahlkampf oder auch Wettkampf vorne liegt. Denn über diese Plattformen platzieren Menschen weltweit Wetten auf den Ausgang der US Wahlen.
Wetten haben Menschen schon immer begeistert: eine der bekanntesten ist dabei die berühmte Wette von Phileas Fogg. In Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“ setzt Fogg sein gesamtes Vermögen auf ein mutiges Unterfangen: Er will in einer Zeit, die von langsamen und unsicheren Reisen geprägt ist, in Rekordzeit (80 Tagen) einmal um die Erde reisen. Bei seinem Abenteuer vertraut er auf die Verlässlichkeit neuer Verkehrsmittel wie Dampfschiffe und Eisenbahnen. Jules Verne beschreibt damit in seinem Roman die erste Phase der Globalisierung, die die Kontinente näher rückt. In diesem Roman zeigt sich aber auch eindrucksvoll, wie ehemals unüberbrückbare geografische Gegebenheiten mittels Technologie und Innovation besiegt werden können. Schaut man sich die Geschichte der Menschheit an, so ist das eines der immer wiederkehrenden Elemente, die den Lauf der Geschichte verändern. Und wie einst Fogg, der auf technologischen Fortschritt und die Präzision neuer Transporttechnologien vertraute, setzen heute unterschiedliche Anwender auf sorgfältige Analysen, Wahrscheinlichkeiten und die Macht der Daten, um den Wahlausgang in den USA vorauszusagen.
Wettmärkte und Finanzmärkte: Chancen und Risiken
Denn am Ende lässt sich die folgende Parallele ziehen: Prediction Markets wie Polymarket funktionieren ähnlich wie Finanzmärkte. Auf beiden „Plattformen“ nehmen Marktteilnehmer, basierend auf einer sorgfältigen Analyse von unterschiedlichen Faktoren, eine Meinung ein bzw. positionieren sich für den Ausgang eines bestimmten Ereignisses. Dabei werden Chancen gegen Risiken abgewogen, um mögliche zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Als Portfoliomanager oder Vermögensverwalter versuchen wir dabei zum Beispiel die Entwicklung der Zinsen, die konjunkturellen Rahmenbedingungen oder die Gewinnentwicklung der Unternehmen vorherzusehen, nur um ein paar Schwerpunkte unserer Analyse zu nennen. Manchmal ist es auch von großer Bedeutung, die Vorhersagekraft der einen Plattform (Polymarket) für die zukünftige Entwicklung der anderen Plattform (Finanzmarkt) zu nutzen, wie in dem vorliegenden Fall.
Trump als wahrscheinlicher Sieger
Laut Polymarket liegt Trump momentan (Stand 28.10.2024) in Führung. Die Quoten stehen 66% zu 34%.
Der Finanzmarkt hat schon vor einigen Tagen angefangen, das Szenario eines Trump Sieges einzupreisen. Die sogenannten „Trump“-Positionen entwickeln sich positiv. Der US Dollar wird stärker, Kryptowährungen entwickeln sich wieder positiv, die Entwicklung des amerikanischen Aktienmarktes ist breiter geworden, nicht mehr so stark dominiert von einer kleinen Anzahl an Unternehmen (die sogenannten Magnificent Seven). Und vor allem die US Zinsen, am langen Ende, die steigen wieder. Denn Trump macht zwei Themen zum Kern seines Wahlprogrammes: Zölle und Migration. Die Erhebung von allgemeinen Zöllen sowie die Einschränkung von Migration hat eine wichtige, langfristige Auswirkung und zwar höhere Inflation, was langfristig zu einem Anstieg der US Zinsen führen sollte. Inwieweit ein Präsident Trump seine Wahlagenda tatsächlich realisieren kann, hängt am Ende auch davon ab, in welcher Machtkonstellation er regieren kann. Denn die politische Realität in den USA nach dem 5. November 2024 wird nicht nur von der Führung im Weißen Haus bestimmt.

Konstellationen im Kongress
Für die Umsetzung neuer oder die Änderung bestehender Maßnahmen einer Regierung (Executive) ist nämlich auch die Farbe des Kongresses sehr wichtig, der aus zwei Kammern besteht: dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Beide zusammen sind für die Gesetzgebung (Legislative) auf Bundesebene verantwortlich. In beiden Kammern stehen jetzt auch Wahlen an. Der Gewinner des Präsidentschaftswahlkampfes kann sich also entweder mit einem gespaltenen Kongress oder mit einem blauen oder einem roten Kongress konfrontiert sehen. Ein roter Kongress würde einem Präsidenten Trump wesentlich mehr Durchsetzungskraft für seine geplanten Maßnahmen geben als ein gespaltener Kongress.
Trump ein Turbo für den Kapitalmarkt?
Zum Schluss wagen wir noch einen Blick in die Zukunft, basierend auf den Entwicklungen der Vergangenheit. Auch wenn aktuell viele Analysen gemacht werden, so lässt sich empirisch nicht eindeutig herleiten, dass sich der amerikanische Aktienmarkt unter demokratischer oder republikanischer Führung besser oder schlechter entwickelt hat. Jede der unterschiedlichen Präsidentschaftsperioden hatte ihre politischen, volkswirtschaftlichen sowie geopolitischen Herausforderungen. Am Ende können Präsidenten und Regierungen lediglich Rahmenbedingungen setzen, Unternehmen müssen in jeder Periode unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sind, innovativ zu sein, profitabel zu wachsen und Gewinne zu generieren. Und das honorieren die Marktteilnehmer dann, indem sie weiter als Besitzer, Aktionäre dieser Unternehmen auftreten. Nach wie vor sehen wir viele strukturelle Trends, die für die Anlageregion USA sprechen. Eins ist aber klar, Donald Trump wird die Welt verändern. Für Europa wird aber dieser „Wind of Change“ wahrscheinlich nicht so positiv ausfallen, wie der in den 80-iger Jahren, ebenfalls von einem republikanischem Präsidenten, nämlich Ronald Reagan, beschworene „Wind of Change“.

Stand: 29. Oktober 2024
Herausgeber: ABN AMRO Bank N.V. Frankfurt Branch
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