Wochenkommentar: US-Märkte steigen auf Vor-Corona-Niveau

Der S&P-500-Index kehrte vergangene Woche auf Vor-Corona-Niveau zurück und erreichte dabei frühere Allzeithochs. Bemerkenswert an dieser v-förmigen Erholung des Gesamtmarkts, die nicht so recht zum immer noch schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu passen scheint, ist, dass sich die einzelnen Segmente des Aktienmarkts nicht alle gleich verhalten.
Die stärkste Triebfeder für die Märkte war die enorme Outperformance großer Technologieaktien, die in den USA stärker war, als die Underperformance von Unternehmen, die unter den negativen Folgen von Covid-19 leiden. Das zeigt sich auch an der Entwicklung des europäischen Aktienmarkts, der immer noch rund 10 % unter dem Vor-Corona-Niveau liegt, weil die europäischen Märkte weniger von Technologieaktien dominiert werden und mehr von Segmenten abhängen, die stärker unter Covid-19 leiden, zum Beispiel Finanzen, Energie und Grundstoffe.
Man kann die Märkte auch aus einer anderen Perspektive betrachten, nämlich im Hinblick auf den Investmentstil: Hier kommt das Marktumfeld Wachstumsaktien zugute, während Value-Aktien hinterherhinken. Diese Tendenz begann bereits vor dem Ausbruch der Pandemie, als die Weltwirtschaft ein langsames Wachstum verzeichnete und die Zinsen niedrig waren – ideale Bedingungen für Wachstumsaktien. Value-Titel florieren hingegen, wenn das Wachstum über dem Trend liegt und die Zinsen steigen. Die politische Reaktion auf Covid-19 – sowohl auf geldpolitischer als auch auf fiskalpolitischer Seite gab es große Unterstützungsprogramme – hat das positive Umfeld für Wachstumsaktien weiter verstärkt. In der Folge haben die Investoren während der gesamten Covid-19-Krise bei Wachstumsunternehmen zugeschlagen, weil diese „sichere“ und steigende Gewinne verzeichnen; dazu gehören zum Beispiel Technologieunternehmen. Dadurch sind die Bewertungen in dieser Aktienkategorie gestiegen. Und da nur ein geringes oder gar kein Wachstum in Sicht ist, hinken die traditionell stärker zyklischen Value-Aktien weiter hinterher, auch wenn sie inzwischen sehr billig wirken.
Die Millionen-Frage lautet, ob, wann und warum dieser Trend sich umkehrt. Der aktuelle Ausblick beim Wirtschaftswachstum und bei den langfristigen Zinsen signalisiert, dass das Marktumfeld für Wachstumsaktien noch einige Zeit günstig bleiben könnte. Doch da die Bewertungsdiskrepanz zwischen Wachstums- und Value-Aktien historische Werte erreicht, könnten manche Investoren verstärkt nach Potenzial im Value-Segment des Markts suchen.
Anleihen: Alle schauen auf die Zentralbanken
Die jüngsten Entwicklungen haben zu sehr niedrigen Renditen geführt. Seit April bewegt sich die Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen zwischen 0,5 % und 1,0 %. Das reale Zinsniveau (nominale Zinsen abzüglich Inflation) hat ebenfalls neue Tiefstände erreicht. Dies spiegelt die expansive Geldpolitik der Zentralbanken wider.
Die Fähigkeit der Zentralbanken, bei steigenden Inflationserwartungen einen allzu starken Anstieg der Nominalzinsen zu verhindern, mag als effektive Geldpolitik gelten, könnte aber auch die Angst vor einer Stagflation schüren (Stagflation: Szenario mit niedrigem Wirtschaftswachstum und hoher Inflation). Die Marktteilnehmer gehen momentan davon aus, dass das Stagflationsrisiko eher begrenzt ist und Vermögensblasen das größte Risiko darstellen.
Trotz steigender Inflationserwartungen sind die Notenbanken fest entschlossen, ihre expansive Geldpolitik fortzusetzen. Dies dürfte die nominalen Zinsen sehr niedrig halten. Die Märkte rechnen damit, dass die Zentralbanken der G10-Länder die Leitzinsen frühestens 2022 wieder anheben, und die sehr niedrigen Nominalzinsen auf 10-jährige Staatsanleihen zeigen die aggressiven Anleihekäufe der Zentralbanken. Die Marktteilnehmer rechnen mit folgendem Szenario: Wenn die Zentralbanken ihre Anleihekäufe allmählich zurückfahren und höhere Realzinsen auf breiter Basis zu Risikoaversion führen, werden die Zentralbanken anfangen, ihre Anleihekäufe gleich wieder auszuweiten.
Im August gibt es normalerweise sehr wenige Anleiheemissionen, weil sowohl Händler als auch Investoren in der Sommerpause sind und die Liquidität daher deutlich geringer ist. Wenn die Marktteilnehmer zurückkehren, richten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Sitzungen der wichtigsten Zentralbanken im September. Zudem haben sowohl die Fed als auch die EZB ihre geldpolitischen Modelle überprüft. In den kommenden Monaten können wir mit Ergebnissen dieser Überprüfungen rechnen. Es wird interessant sein zu sehen, wie Fed und EZB ihre Leistung in den vergangenen Jahren beurteilen. So haben zum Beispiel beide Notenbanken feste Inflationsziele. Doch die Inflation ist nun schon seit Jahren hartnäckig niedrig (und liegt unter der Zielmarke). Da stellt sich die Frage, ob die Fed und die EZB die Art und Weise, wie sie ihre geldpolitischen Ziele verfolgen, künftig verändern wollen. ...
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