Wochenkommentar: Coronavirus trifft Europa hart

Mit dem Einreisestopp für Europäer hat US-Präsident Donald Trump in der vergangenen Woche für große Unruhe an den Kapitalmärkten gesorgt. Gleichzeitig brachte die Hoffnung auf umfangreiche Staatshilfen die Börsen in ein Wechselbad der Gefühle. Die Schwankungsintensität war mit den Tagen rund um die Finanzkrise 2008 vergleichbar. Neben der globalen Verbreitung des Covid-19-Virus und der Einstufung als Pandemie, trat der offene Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Russland um Ölfördermengen zu Tage. Im Wochenvergleich sackten die europäischen Aktienmärkte um rund 18% ab. Durch eine signifikante Erholung der Kurse am Freitag, belief sich der Wochenverlust in den USA hingegen auf rund 9%.
Es ist noch nicht absehbar, in welchem Ausmaß die Politik und Gesundheitsbehörden auf die Krise reagieren werden. Doch schnelles Handeln ist unabdingbar. Italien hat radikale Maßnahmen ergriffen und die Grenze nach Norden hin abgeriegelt. Andere Länder haben über das Wochenende nachgezogen und ihre Landesgrenzen geschlossen. Dennoch beabsichtigt die EU-Kommission schnelle Regeln für einen ungehinderten Warenverkehr in der EU zu formulieren.
Wir rechnen damit, dass die Auswirkungen des gescheiterten OPEC+-Treffens der vorletzten Woche, das zu drastischen Ölpreissenkungen der Saudis geführt hat, eine baldige Gegenreaktion auslösen. Saudi-Arabien kann sich angesichts seiner aktuellen Leistungsbilanz keinen Preiskrieg leisten. Durch steigende Öllagerbestände können die Preise sogar noch weiter sinken. Daran kann kein Öl produzierendes Land interessiert sein. Wir gehen davon aus, dass die OPEC+-Mitglieder an den Verhandlungstisch zurückkehren und ihre Differenzen ausräumen. Der Preis für Rohöl der Nordseesorte Brent dürfte bis Ende des Jahres wieder auf USD 50 bis 55 steigen können.
Die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind aktuell noch nicht zu greifen. Wir können allerdings beobachten, dass in China die Zahl der Neuinfektionen sinkt und die Wirtschaftstätigkeit schneller wieder anläuft als bislang befürchtet, nachdem das Land beispiellose Maßnahmen ergriffen hat. Wir rechnen damit, dass China bis Ende des Monats wieder voll funktionsfähig ist. Nimmt man dies als Richtschnur für alle anderen Länder, dürfte ein Großteil der Viruswelle und ihrer Folgen bis in das dritte Quartal reichen. Die wirtschaftlichen Folgen werden zweifellos gravierend sein. Kurzfristig werden die Aktienmärkte leiden und höchst schwankungsanfällig bleiben.
Anleihen: Herausforderungen stehen bevor
Die Renditen auf Staatsanleihen sind in Europa und in Japan seit sechs bis acht Jahren nahe oder unter 0 Prozent, weil die konjunkturelle Erholung, die auf ihr erstmaliges Absinken unter null folgte, nicht zu einem bedeutenden Anstieg der Inflation führte, die immer noch unter der Zielmarke der Zentralbank liegt. Inzwischen rückt auch bei US-Staatsanleihen eine Rendite von 0 Prozent näher, spätestens mit den massiven Zinskürzungen der letzten Tage, wodurch der US-Leitzins von 1,75% zu Jahresbeginn auf nun 0,25% gesenkt wurde.
Ein Umfeld ohne Inflation und mit niedrigem Produktivitätswachstum und hohen Sparquoten kann dazu führen, dass die Zinsen niedrig oder eben sogar negativ bleiben. Nur Länder mit starkem Wachstum dürften in der Lage sein, negative Renditen ihrer Staatsanleihen abzuwenden.
Wie konnten die Zinsen auf US-Staatsanleihen in die Nähe von null sinken? Auslöser war eine Kombination aus Schocks, und es ist immer noch unklar, ob diese Schocks eine offizielle Rezession oder nur eine starke konjunkturelle Schwächung bringen. Angefangen haben die Schocks mit dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg im vergangenen Jahr, der die globalen Investitionen im vierten Quartal praktisch zum Stillstand brachte. Verstärkt wurde dieses Problem durch das Coronavirus, das China im ersten Quartal eine schrumpfende Wirtschaft bescheren dürfte. Dem Rest der Welt dürfte im zweiten Quartal das Gleiche blühen. Ein weiterer Schock war der Preiskrieg der OPEC, der dazu geführt hat, dass sich die Ölpreise seit Anfang Januar halbiert haben.
Für das Portfoliomanagement lautet die entscheidende Frage jetzt: Wird der Ausverkauf an den Märkten für risikobehaftete Vermögenswerte weitergehen, oder sind die schlechten Nachrichten inzwischen ausreichend eingepreist, was bedeuten würde, dass von einer baldigen Bodenbildung der Risikomärkte auszugehen wäre. Jede Antwort auf diese Frage ist mit großer Unsicherheit behaftet. Die Risikomärkte werden in den kommenden Wochen Schwierigkeiten haben, die Nachrichten über die Bekämpfung des Virus und über Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft richtig zu gewichten.
An den Rentenmärkten sind die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen im Durchschnitt höher, obwohl die Investoren nach festverzinslichen Anlagen suchen. Wir glauben, dass langfristig orientierte Investoren vor allem Unternehmensanleihen in ihrem Anleiheportfolio haben sollten. Die Spreads von Hochzinsanleihen sind auf Niveaus gestiegen, die es zuletzt während der Rohstoffkrise Anfang 2016 und davor am Ende der griechischen Schuldenkrise 2012 gegeben hat. Anleihen mit BB-Rating blieben nicht nur hinter Titeln mit B-Rating zurück, sondern sind auch gegenüber BBB-Titeln stark gefallen. Unserer Einschätzung nach hat die Erwartung von höheren Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank BBB-Unternehmensanleihen gestützt. Die Zu- und Abflüsse sind besorgniserregend, denn das unterste Bonitätssegment hat fast keine Liquidität mehr. Einige Investoren, die Geld brauchen, werden lieber höherwertige Anleihen verkaufen, weil diese Märkte eine höhere Liquidität bieten. Wir werden diese Entwicklungen genau im Auge behalten. Falls sich die Liquidität verbessert, dürfte der Markt auch mehr Unterstützung erfahren...
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