Wochenkommentar: Warten auf die US-Wahl

Während die US-Präsidentschaftswahl immer näher rückt, beeinflussen die möglichen Auswirkungen der Corona-Infektion des amtierenden Präsidenten auf den Wahlausgang die Märkte. Die Wahrscheinlichkeit einer Einigung über ein neues Hilfspaket ändert sich momentan kaum. Sie hängt davon ab, ob Donald Trump bereit ist, kurzfristig eine Lösung zu erzielen. Eine Einigung würde den Märkten einen positiven Schub geben.
In den Industrieländern sind die Aktienmärkte seit der vorletzten Woche gestiegen. Getrieben wurde der Aufwärtstrend vor allem von den stärker zyklischen Sektoren. Global lässt sich festhalten, dass Finanzen, Industrie, Grundstoffe und Energie die Kurssteigerungen angeführt haben, während defensivere Sektoren wie der nicht zyklische Konsum, das Gesundheitswesen und IT hinterherhinkten.
Ein Bericht des US-Kongresses zu den großen Technologiekonzernen (wie Apple, Amazon, Facebook, Alphabet) kommt zu dem Ergebnis, dass diese Unternehmen eine Monopolstellung innehaben. Der Bericht empfiehlt ganz allgemein strukturelle Trennungen, hat sich bisher aber noch nicht auf die Aktien der großen IT-Unternehmen ausgewirkt.
Anleihen: Comeback des Inflationsrisikos
Die Investoren interessieren sich wieder für das Inflationsrisiko. Dies liegt an den jüngsten Änderungen in der Geldpolitik der US-Notenbank Fed und an der wachsenden Wahrscheinlichkeit einer sogenannten „blauen Welle“, d. h. eines Wahlsiegs der Demokraten. Uneinheitliche Nachrichten zur Arbeitsmarktentwicklung und zu staatlichen Wirtschaftshilfen dürften dafür sorgen, dass die Renditen bis zur Wahl innerhalb ihrer Handelsspanne bleiben. Die US-Wahl selbst bleibt ein zentraler Risikofaktor für die Zinsen.
Vergangene Woche ist eine „blaue Welle“ deutlich wahrscheinlicher geworden. Untersuchungen prognostizieren, dass eine blaue Welle Zinserhöhungen in den USA um bis zu zwei Jahre vorziehen könnten – vor allem aufgrund einer höheren Inflationsentwicklung. Selbst ohne politische Veränderungen ist die Kerninflation bereits auf ihren 20-Jahres-Durchschnitt von 1,6 % zurückkehrt. Natürlich geht die Schwäche in der Preisentwicklung im Frühjahr vor allem auf die vorübergehenden coronabedingten Einflüsse zurück, die inzwischen weitgehend wieder behoben wurden. Wenn der Inflationsschub durch eine fiskalische Expansion von einem Niveau ausgeht, das näher an 2 % liegt als die meisten Beobachter erwartet hatten, könnten die Märkte einen Risikoaufschlag für einen weiter über 2 % liegenden Zins einbauen müssen. Unsere Basisprognose, dass mittelfristig keine Zinserhöhungen zu erwarten sind, haben wir nicht verändert, aber die Prognoserisiken bestehen jetzt überwiegend darin, dass es früher zu einer Zinserhöhung kommen und die Normalisierung eine schnellere Entwicklung nehmen könnte. Dies wird sich auf die Rendite von US-Staatsanleihen (Treasuries) auswirken und könnte zu einer steileren Renditekurve führen.
Trotz der durchwachsenen Risikostimmung, die dazu geführt hat, dass sich die Renditen auf deutsche Staatsanleihen weiter um die Marke von -0,5 % bewegt haben, sind die Risikoaufschläge von Peripherieländeranleihen, zum Beispiel aus Italien oder Spanien, weiter gefallen. Da sich Rendite und Kurs bei Anleihen gegenläufig entwickeln, sind die Kurse gestiegen. Staatsanleihen aus europäischen Peripherieländern haben sich besser entwickelt als ihre Pendants aus den Kernländern – gestützt von den Kaufprogrammen der EZB, den zu erwartenden Konjunkturhilfen und den Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde, die erneut betonte, die EZB sei bereit, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen, um die konjunkturelle Erholung zu unterstützen. Da die Risikoprämien auf Peripherieländeranleihen bereits gering sind, besteht hier kaum noch Spielraum für einen weiteren Rückgang (und damit verbundene Kurssteigerungen).
Trotz der wieder schärfer werdenden Lockdown-Maßnahmen in einer Reihe von europäischen Ländern sind auch die Risikoaufschläge auf die Renditen von Investmentgrade-Unternehmensanleihen weiter gefallen. Vor allem Titel, die von der Marktstimmung abhängen, zum Beispiel Anleihen von deutschen Automobilherstellern, hatten die Nase vorn. Wir halten weiterhin mit Überzeugung an unserer Übergewichtung von Investmentgrade-Unternehmensanleihen und an unserer Präferenz von Schwellenländeranleihen gegenüber Hochzinsanleihen fest...
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